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Die Stärke und Gewandtheit, die er in stetem Kampfe mit den
mächtigen Naturgewalten sich aneignet, sind ebenfalls lebhaft in seinem
Bewußtsein, und darin liegt der Grund der unter den Alpenbewohnern
sehr verbreiteten Rauflust, die sich nicht selten roh darstellt.
So findet auch das mechanische Talent der Alpenbewohner häusig
in ihren die Aufbietung aller und jeder Thätigkeit beanspruchenden
Lebensverhältnissen einen Sporn, der sie zu allerlei sinnreichen Er-
findungen treibt. Das Wasser, das aus dem Brunnen läuft, treibt ein
kleines Rad und bewegt so durch ein Gestänge die Wiege in der Stube,
wozu der Mutter die Zeit fehlt. Oder es läuft kein Wasser aus dem
Brunnen, aber im Stalle nebenan steht eine Kuh und das Kind will
gewiegt sein. Da wird eine Schnur an die Wiege gebunden und durch
die Wand geführt, straff an den Schwanz der Kuh befestigt. Diese
findet sich geniert, schlägt mit dem Schwänze, um ihn zu befreien, und
vertritt so, ohne es zu wissen, die Stelle einer Kindermuhme.
Die Frische, die Kraft, die Knochenlage der Älpler offenbart sich
in ihrer G e s an g eslust. In vielen Gegenden ertönt uns aus der
niedrigsten Hütte Gesang und Zitherspiel entgegen. Und welchen fremden
Wanderer belebt nicht jenes weithin schallende Jauchzen aus dem
Muude des Sennen und der Sennin, das von den saftgrünen Matten
und sonnigen Grashängen entgegenschallt? Auch das Jodeln ist eine
den Alpen eigentümliche Gesangsweise. —
Zu der ständigen Bevölkerung der Alpen gesellt sich zur Sommer-
zeit eine wandernde. Die Alpen sind ein Hauptreiseziel. Zwar fehlen
auch andern Ländern unseres Erdteils nicht eigentümliche Reize, nicht
Seeen, nicht Wasserfälle, nicht malerische Gebirge und üppige
Thalgelände; aber wo findet sich dieser riesige Maßstab zugleich
und überraschend schnelle Wechsel und diese Fülle von Gegensätzen und
Abstufungen, diefe Verbindung des Toten mit dein Lebenvollen,
des Oden mit dem Fruchtbaren, des Ernsten und Dunkeln
mit dem Freundlichen und hell Heitern, des erhaben Furcht-
baren mit dem anmutig Schönen? wo solche einladende Ruhe der
Matten und Wiesen mit dem tiefen, erquickenden Grün und so
herrliche Gelände mit duftenden Alpenblumen und kräftigen Bäumen
in nächster Nähe jener dunkeln und schroffen Gesteinswände und in-
mitten von starrenden Wüsten nackter Felsentrümmer und unübersehbarer
oder unvergänglicher, blendender Schnee- und Eisfelder? wo anders
jene ewig frischen, von Kraft übersprudelnden Sprößlinge der letzteren,
die gletschergeborenen herrlichen Alpenströme, die noch in weiter
Ferne von ihrer Heimat mit ihren smaragdgrünen Wellen das Auge
erfreuen, nachdem sie den läuternden Gang vollendet? wo die weiten
Spiegel selbst, zurückstrahlend in voller Klarheit das Bild Himmel-
hoher Berge, und ringsum an ihren Ufern in buntem Kranze geschmückt
mit Städten, Flecken, Dörfern, prächtigen Villen oder traulich
einsamen Alpenhäusern, belebt durch fleißige Menschen, die ihr