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bürgerlicher Verkehr und Handel. Sprache und Sitte sind vlämisch;
die Oberstadt ist der Aufenthalt des Hofes und der Behörden, sowie
der Fremden aus den höheren Ständen; sie hat gänzlich französisches
Wesen, auch wird hier nur französisch gesprochen. Maria Theresia
legte hier einen prachtvollen Park an, der jetzt mit Bildsäulen und
Wasserbecken versehen ist. Zu den ansehnlichsten Gebäuden der Ober-
stadt gehören der Palast des Königs, der Palast des Herzogs
von Brabant und das von Maria Theresia gebaute Palais, de
la Nation genannt, in welchem die Kammern ihre Sitzungen halten.
Andere Prachtgebäude in diesem Teile der Stadt sind der Justiz-
palast, der Judustriepalast und die Universität.
Die Universität trägt eigentümlich deutsches Gepräge und enthält
die vorzüglichsten ältern Bauwerke Brüssels. An dem 180 Schritte
langen und 80 Schritte breiten Marktplatze erhebt sich das herrliche
1442 vollendete Rathaus, das merkwürdigste Bauwerk in Brüssel.
Es bildet ein Viereck von 94 Schritt Länge und 75 Schritt Breite,
von dem ein Hof umschlossen wird, und kehrt dem Markte seine Pracht-
volle Front zn. In dieser, doch nicht in ihrer Mitte, steht ein Turm
von 114,2 Meter Höhe, der aus seiner Spitze die 5,3 Meter hohe
Figur des Erzengels Michael aus vergoldetem Kupfer als Wetterfahne
trägt. Hier entsagte Karl V. 1555 der Regierung. Die andern Seiten
des Marktes zeigen ebenfalls mehrere fehr ansehnliche und geschichtlich
merkwürdige Gebäude aus dem Mittelalter; überhaupt siud die Straßen
der Unterstadt reich an dergleichen Denkmälern, ehemaligen Sitzen des
Brabanter Adels. Unter den Kirchen ist die bedeutendste die Käthe-
drale zu St. Gudula; sehenswert ist besonders der Hauptaltar, über
dem auf einer baldachinartigen Kuppel die Statue des triumphierenden
Erlösers steht; außerdem findet man in dieser Kirche herrliche Glas-
Malereien. — Unter den Straßen der Stadt ist die glänzendste die
Rue de la Madelaine, welche Ober- und Unterstadt verbindet.
Prächtige Kaufmannsgewölbe reihen sich hier aneinander. Sehenswert
ist auch die Galerie, ein 204 Meter langer, 8 Meter breiter und
19 Meter hoher mit Glas gedeckter Gang, der zwei sehr lebhafte
Straßen verbindet und ebenfalls glänzende Kaufläden enthält. Auch
einen bedeckten Gemüse- und Fruchtmarkt besitzt Brüssel seit 1848.
In den Straßen befinden sich 30 Springbrunnen.
Brüssel hat 9 Thore und über 300 Straßen. Die ehemaligen
Festungswälle, Boulevards, ziehen sich als zwei Stunden langer
Spaziergang mit doppelten Banmreihen um die Stadt; ein anderer
Spaziergang, die 1707 angelegte Allee verte, hat eine vierfache Linden-
reihe und ist eine halbe Stunde lang; sie ist der Ort, wo sich am
Abend die vornehme Welt bewegt. An Anstalten für Kunst und
Wissenschast ist Brüssel reich. Die 1834 gegründete freie Universität
zahlt 39 Professoren und gegen 400 Studierende. Die Vorlesungen
an ihr werden in französischer Sprache gehalten. Es giebt ferner