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Die Pferde werden dann mit allerlei Gerät beladen, vornehmlich
mit dem, was zur Butter- und Käsebereitung gehört, mit Milchgefäßen
und Fässern, Kesseln und Pfannen; aber auch mit Decken und Geschirr,
mit dem, was zur Lebeuserhaltung notwendig, mit Holz zum Bau und
zur Ausbesserung der Hütten, denn die Bergweiden liegen über der
Holzregion. So ist das Leben auf den Alpen ein müh- und arbeitsames.
Es giebt dort viel zu schaffen: das Vieh zu hüten, das Heu zu sam-
meln, Butter und Käse zu bereiten, die Vorräte in die Thäler hinab-
zuschaffen. Dennoch aber ist es so anziehend und wird so hoch ge-
achtet, daß Knechte und Mägde sich nicht anders vermieten, als mit der
Versicherung, im Sommer auf den Alpen zu leben.
Die Hofbesitzer schicken auch ihre Kinder hinauf, und ein Mädchen
würde untröstlich sein, wenn es die Eltern ihr nicht gestatteten, in der
schmutzigen Sennhütte zu wohnen. Diese Hütten sind meist aus rohen
Steinen zusammengesetzt, seltener bestehen sie aus Bohlenwerk. Solcher
Hütten stehen gewöhnlich mehrere nebeneinander, und die beste und
größte ist das Vorratshaus. Für gewöhnlich sind die Weiber und
Mädchen allein die Wärterinnen der Tiere, während die Männer in
den Thälern den Acker bestellen; zuweilen besuchen sie aber auch die
Ihrigen auf den Weiden. Die Hofbesitzer haben eine Anzahl Hausleute,
die zu ihnen etwa so stehen, wie unsere Tagelöhner zu den Arbeitgebern.
Der Herr gewährt ihnen Wohnung, einiges Land und die Erlaubnis,
ein Stück Vieh zu halten, Holz und andere Vorteile. Dafür sind sie
verbunden, in seinem Dienst zu arbeiten, wenn er es verlangt, wofür
sie einen bestimmten Tagelohn erhalten.
Das norwegische Volk ist ein gutes, ehrliches, in seiner Armut
genügsames und biederes, in seinem Nationalstolz nicht abschreckendes,
sondern von gefälligem, freundlichem Wesen. An der rauhen Gebirgs-
küste (sagt Steffens) wohnt der norwegische Lotse, kühn, ehrliebend,
dessen fast unbegreifliches Geschick Staunen erregt, von Kindheit an mit
dem Meere bekannt, mit Gefahren spielend, deren die starren Felsen
und die unter den Wellen verborgenen Felsenriffe unzählige bieten.
Der norwegische Bauer, weiter im Lande wohnend, weiß nichts von
den städtischen Sitten. Er ist ganz auf sich angewiesen, und er ist
eine Art Tausendkünstler, der alles versteht, ganz besonders die Bauern
in Hardanger, d. h. dem Lande des Hungers. Er schmiedet sein Ge-
wehr, zimmert sein Boot, baut sein Haus, webt sein Kleid, macht seine
Schuhe, verfertigt seine Geige und all sein Gerät; jeden nennt er
Du; er kennt keine Unterschiede.
Eine seltsame Sitte in Norwegen ist es, daß keiner den Augen der
Menschen verbirgt, was er besitzt, sondern es ganz offen zeigt, damit
alle Nachbarn wissen, wie es mit seiner Kasse stehe. In Tellemarken
hängt man in der Vorhalle des Hauses einen Kessel auf für jedes
Tausend Speciesthaler, die man gesammelt bat. Ohne Schulzwang
lernt das Volk, auch die Bauern und Hirten tief im Gebirge lesen und