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gedehntesten und kostbarsten Weinbergen und tritt dann beim Binger-
Loch, durch die Nahe verstärkt, in das enge, romantische Thal,
zwischen Taunus und Westerwald auf der rechten, Hundsrück
und Eifel auf der linken preußischen Seite, wo Bergtrümmer an
Bergtrümmer sich reihen, und jede Wendung des Stromes neue
Schönheiten entfaltet. Da liegt Canb, wo der alte Blücher in
der Neujahrsnacht 1813 die siegreichen Preußen über den Rhein führte,
um den stolzen Kaiser Napoleon in Paris den Frieden zu diktiren,
und Stolzenfels, nnsers Königs schmucke Burg, der Lahnmündung
gegenüber, und Koblenz, mit der unüberwindlichen Feste Ehren-
breitstein hoch auf den Felsen über der Stadt. Da mündet die
schlangengekrümmte Mosel in den Rhein, und weiter hinauf thürmt
sich das Siebengebirge mit seinen runden Häuptern hart am
rechten Stromufer auf, Bonn mit seiner Hochschule spiegelt sich
im Strome, und das altehrwürdige Köln, mit seinem mächtigen
Häusermeere, seinem unvergleichlichen deutschen Dom, seiner bis nach
Deutz hinüberführenden stehenden eisernen Gitterbrücke, seinen zahl-
reichen Schiffen und Schanzen hält sichere Wacht. Weiter zu Thal
tritt dann der Fluß in breite, flache Auen, die er schon öfter durch
schlimme Ueberfluthungen heimgesucht hat, die aber der fleißige
Ackerbau und der mannichsaltigste Gewerbfleiß in zahlreichen und
schönen Städten immer wieder rettet, bis er endlich, durch Ruhr
und Lippe noch verstärkt, auf holländischen Boden in ein reiches
Frucht-Niederland tritt, wo er mit mächtigen Wogen an den reichen
Handelsstädten vorüber in mehreren Armen in die Nordsee sich er-
gießt, nach einem stolzen Lauf von über 180 Meilen. Derjenige
unter seinen Armen, welcher den Namen Rhein bis zur Mündung
beibehält, ist freilich einer der schwächsten. Schon beim Eintritt in
Holland geht von dem Hauptstrome zur linken Seite die weiterhin
durch die wasserreiche, durch Frankreich und Belgien herankommende
Maas verstärkte Waal ab. Der Hauptstrom theilt sich dann
abermals, indem er die zur Zuyder-See rechts sich wendende
Assel noch vor Arn he im und weiterhin die an der altberühmten
Stadt Utrecht vorbeigehende Vechte, die in der Nähe der großen
Handelsstadt Amsterdam ebenfalls die Zuyder-See erreicht, ab-
giebt, während der Leck nach Abend fortströmt und über Rotter-
dam hinunter zur Nordsee eilt. Nur ein schwächerer Rheinarm
geht an der großen Stadt Leyden vorbei, unfern der holländischen
Residenzstadt Haag, unter dem Namen Rhein in die Nordsee.
Das ist der uns Deutschen so hochwichtige, in Liedern verHerr-
lichte Rheinstrom! Seit 1814 ist der Strom wieder deutsch geworden,
und so jetzt der nach ihm lüsterne Franzmann seine Hand noch ein-
mal danach ausstrecken wollte, heißt es wiederum wie aus einem
Munde; »Sie sollen ihn nicht haben!« Preußen steht dort im Nor-
den mannhaft zur Wacht, und die deutschen Brüder in Hessen und