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und Vertrauen. Man glaubt emporgehalten zu schweben, aber man 
fühlt sich sicher in den Händen der kühnen Gewalt, die einen empor- 
hält und Klugheit und Sorgfalt mit sich verbindet. Der Sturm 
bewegt den leichten, schlanken Bau, aber er kann ihn nicht er- 
schüttern; der Blitz schlägt jährlich mehrmals in den Thurm, aber 
er kann nicht mehr thun, als hier und da einen Stein lockern. — 
Mit Sehnsucht blickte ich hinauf zum dritten Stockwerke des Thurmes; 
der Thürmer öffnete die Thür, welche zur Spitze des Thurmes 
hinauf führt. So durchsichtig und luftig die Treppe ist, so hat sie 
doch keine Gefahr. Und welch ein Entzücken, oben zu stehen unter 
der Krone, wo einst der Baumeister im stolzen Gefühle der Voll- 
endnng seines großen Werkes gestanden hat!« 
Während des deutsch-französischen Krieges (1870) wurde Straß- 
bürg von deutschen Truppen sieben Wochen lang belagert. Nach 
heftigem Bombardement übergab der Kommandant Uhrich am 
27. Sept. dem General v. Werder diese starke Festung. Ein großer 
Theil der Stadt und Festung war zerstört und in einen Schutt- 
Haufen verwandelt worden; den herrlichen Münster hatte die badische 
Division zu schonen gesucht; nur das Dach des Gebäudes war 
beschädigt. 
Am 30 Sept. 1681 hatte die protestantische Bürgerschaft Straß- 
burgs mit dem Klageliede »Aus tiefer Noth schrei ich zu dir« u. s. w. 
Abschied von den Münsterhallen und von dem deutschen Reiche 
genommen. Am 30. Sept. 1870 betraten die deutschen Krieger den 
vaterländischen Dom und wiederholten tiefgerührt den Siegespsalm, 
mit welchem sie in der Morgenstunde den Feldgottesdienst begonnen 
hatten (Allein Gott in der Höh' sei Ehr'!). — An jenem Freitage 
leuchtete die Herbstsonne in verjüngter Kraft, und die alten fächsi- 
schen und hohenstaufifchen Kaiserbilder in den farbigen Fenstern 
schaueten wunderbar herab auf die geharnischten Streiter, als wollten 
sie sagen: »Ihr seid eurer Väter Werth!« — 
36. Der Bodensee.* 
Der Bodensee, der König der deutschen Seen, auch das 
schwäbische Meer genannt, gewährt schon hinter Lindau, wo 
die Eisenbahn von Augsburg her mündet, einen anmuthigen 
und großartigen Anblick. Die Schweizerberge scheinen mit ihrem 
Fuße in den blauen Fluthen zu ruhen. Von den grünen Vorbergen 
steigen sie zu immer höheren Alpen hinauf, die in blauer Ferne 
mit dem Himmel zusammenfließen. Dem Auge verlängert sich der 
See unwillkürlich bis in die tiefen Thäler der Graubündner Alpen¬ 
* A. Berthelt.
	        
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