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gefüllten Ball mit den Füßen in die Luft, und wer am weitesten
und höchsten trifft, erhält einen Preis an Geld oder an Nüssen.
Auch Damen- und Schachspiel sieht man oft auf den großen
Plätzen oder unter den Bogengängen der Kaufhäuser spielen. Zu
den allgemeinsten und beliebtesten Volksbelustigungen gehört das
Schaukeln. Man hat hier drei Arten von Schaukeln. Die eine
ist die bei uns übliche, wo man in einem Sitze hin und her ge-
schwungen wird. Die zweite ist die, welche man auch bei uns
russische Schaukeln nennt, und die man am besten mit Windmühlen-
flügeln vergleichen kann, an deren Enden sich vier Sessel befinden.
Die darin Sitzenden werden also, immer gerade sitzen bleibend, so
herumgedreht, daß sie sich bald dicht an der Erde, bald hoch oben
in der Luft befinden. Die dritte Art ist die, welche bei uns Ca-
roussel genannt wird. Alle drei Arten werden um Ostern für die
Sommerzeit aufgeschlagen, und das ist für Jung und Alt ein großes
Fest. Auch die vornehmeren Stände versammeln sich bei solchen
Schaukeln und machen es dadurch zum Nationalfest. Dann und
wann kommen wohl Streitigkeiten dabei vor, und der Pöbel über-
häuft sich mit den wildesten Schmähungen; aber es kommt fast nie
zu Tätlichkeiten, weil die Umstehenden die Streitenden durch einen
tüchtigen Wafferguß abkühlen; dazu werden bei solchen Gelegen-
heiten immer einige Spritzen in Bereitschaft gehalten. Der Zorn
ist dadurch plötzlich abgekühlt; man lacht von allen Seiten; die
Streitenden'machen schnell Frieden, und eilen Arm in Arm in die
nächste Schenke, um mit einem Glase Branntwein die Versöhnung
zu besiegeln. In der Mitte der Schaukeln sind gewöhnlich Bretter-
buden, in denen Volkskomödien aufgeführt werden. Der Ein-
laß kostet sehr wenig; die Vorstellung dauert eine halbe Stunde;
die Zuschauer verlassen den Schauplatz; Andere treten ein, und
dasselbe Schauspiel beginnt aufs Neue.
Ein zweites öffentliches Volksfest sind die Eisberge, die wäh-
rend des Karnevals gewöhnlich auf der Newa errichtet werden.
Man denke sich ein Balkengerüste von der Höhe eines drei- bis
vierstöckigen Hauses. Auf der einen Seite ist eine Treppe zum
Hinaufsteigen, auf der andern eine steilabhängende Fläche, die mit
gesägten, dicht an einander paffenden Eisstücken belegt ist. Männer
sowohl, als Frauen, letztere jedoch nur von gemeinem Stande,
fahren aus kleinen niedrigen Schlitten von der Höhe in einem
Augenblick nach dem unten befindlichen Eisfelde hinab. Ganz ohne
Gefahr ist dies plötzliche Herunterschießen freilich nicht; oft stürzt
ein Schlitten über den andern hin, oder ein Schlitten bekommt eine
schiefe Richtung, und der darauf Sitzende rollt unsanft und oben-
drein ausgelacht hinunter, und daher nehmen die höheren Stände
daran keinen Antheil; aber der Anblick einer solchen Menge fröh-
licher Menschen und die Geschicklichkeit vieler jungen Leute, die
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