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Bethlehem, die Stadt Davids, ist ein kleiner, wie alle Städte
und Dörfer des heiligen Landes, durchaus massiv gebauter Ort. um-
geben mit einer Mauer, vor der sich steinige Felder breiten und an
den Abhängen Rebengärten, grüne Feigenbaumpflanzungen und graue
Olivengruppen hinziehen. Das Innere des Städtchens ist schmutzig,
die winkligen, bergauf und bergab lausenden Straßen haben kein
Pflaster; auf der Hauptstraße, die als Markt dient, sehen wir fast nur
Zwiebeln und Knoblauch feilbieten. Die Einwohner, gegen 3000, sind
fast ohne Ausnahme Christen. Die Frauen tragen eine besondere
Tracht, die in einer über das gewöhnliche, blaue arabische Hemd ge-
worfenen roten Tunika besteht; das Gesicht ist bei den weiblichen Per-
sonen stets verschleiert. Den Kopf der Männer sieht man meist mit
einem dunkelblauen oder schwarzen Turban bedeckt. — Garten- und Feld¬
bau sind die Hauptbeschäftigungen der Männer. Außerdem verfertigen
sie Andenken für Pilger, bestehend aus Rosenkränzen, Kruzifixen, Kreuzen,
Trinkschalen und Dosen mit dem Bilde des heiligen Abendmahls, wo-
zu.sie Feigen- und Olivenholz, vorzüglich aber Perlmutter und den
Stückschiefer vom Roten Meere verwenden.
Unser erster Besuch in Bethlehem galt den Klöstern, die sich über
Jesu Geburtsstätte erhoben haben. Wir gingen über einen großen freien
Platz, der diese Klöster von dem östlichen Ende der Stadt trennt.
Die Klöster — es sind deren drei: ein lateinisches, ein grie-
chisches und ein armenisches — bilden einen Stadtteil für sich.
Sie sind allesamt von einer hohen mit gewaltigen Strebepfeilern ge-
stützten Mauer umgeben, und zu jedem gehört eine eigene Kirche. Durch
ein ziemlich enges Haupttor gelangen wir auf einen mit Steinplatten ge-
pflasterten, von Säulengängen eingefaßten Hof, der von hohen Gebäuden
beschattet wird, und aus dem ein Pförtchen in die Kirche führt, welche
die Geburtsgrotte einschließt. — Hier fanden wir einen Mönch, der
gegen eine zu erlegende Gabe die Reisenden umherzuführen beauftragt ist.
Die Kirche, in die uns unser Mönch zunächst führt, ist eine der
ältesten, stattlichsten und prächtigsten in Palästina. Ihre jetzige Aus-
schmückung aber stammt von den Griechen her, die sie 1842 ausbesserten
und teilweise umbauten. Achtundvierzig korinthische Säulen von gelb-
lichem Marmor tragen die Decke, die aus Zedernholz vom Libanon ge-
zimmert ist. Große Fenster erhellen das Schiff, welches ein Kreuz vor-
stellt. An den Wänden erblicken wir halbverwischte griechische Inschriften
und einige Gemälde auf Holztafeln. Auch an den Säulen und Pfei-
lern bemerken wir Malereien, die Heilige vorstellen. Der Chor, vom
Schiff durch eine mit vielen Heiligenbildchen in viereckigen Tafeln und
oben mit einem großen Kreuz geschmückte Quermauer geschieden, und
drei Stufen höher als das Kreuz, enthält einen den drei Weisen aus
dem Morgenlande geweihten Altar, vor dem ein Marmorstein am Boden
die Stelle bezeichnet, über welcher der Wegweiserstern des Jahres Eins
stillstand, „oben über, da das Kindlein war".