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kleine Schalen gegossen. Das Hauptgericht dieses Tages bestand aus
Haifischflossen mit Bouillon, aus jungen Trieben von Bambusrohr,
Krebsen, Körnern von Seerosen mit Bouillon, Nudeln, gebratenem
Fisch, Reis in Wasser gekocht, kleinen Kuchen von Reis und Zucker,
Kuchen von Kohlrüben. Zu den Kuchen gab es Milch von Erdnüssen
und Reiswein, ein sehr starkes Getränk, das immer warm aufgetragen
wird. Man könnte den Geschmack am besten mit Kartosselbranntwein
vergleichen. Der Tee wurde erst am Ende der Mahlzeit aufgetragen,
denn während des großen ceremoniellen Diners trinkt man denselben
nicht, sondern Reiswein. — Uns zu Ehren ließ der Statthalter Flaschen
mit europäischem Wein auftragen; es war guter Malaga."
12. Erziehung und Unterricht der chinefifchen Kinder.
Wenn man von der chinesischen Kinderwelt redet, so gibt's eigent-
lich nur von den Knaben zu erzählen; denn um die Mädchen be-
kümmert man sich nicht viel, wie ja überhaupt bei allen heidnischen
Völkern das Weib sich in großer Erniedrigung befindet. Schon von
Geburt an werden die Mädchen den Knaben bedeutend nachgesetzt. Die
Geburt eines Sohnes ist ein Freudenfest für die Familie; sogleich gibt
man dem Kinde den Namen der Familie oder einen zärtlichen Bei-
namen. Einen Monat später schicken die Verwandten und Freunde der
Eltern dem Kinde eine Silberplatte, auf welcher die Worte: „Langes
Leben, Ehre, Glückseligkeit" eingegraben sind. Ganz anders macht
man es mit den Mädchen. Die Geburt einer Tochter wird häufig als
ein Familienunglück angesehen. Schon vor alters war es Sitte, daß
man bei der Geburt einer Tochter sich in den drei ersten Tagen gar
nicht um das Kind bekümmerte und es auf einige Lumpen neben seine
Mutter auf den Fußboden legte, während man in der Familie, in der
gewöhnlichen Weise fortlebte. Erst am dritten Tage fing man an, sich
mit dem Neugeborenen zn beschäftigen, und trug es in den Saal der
Ahnen, denen der Vater das Kind darstellte.
Wenn das Mädchen heranwächst, so wird nur geringe Sorgsalt auf
seine geistige Ausbildung verwandt. Es lernt höchstens lesen, schreiben
und ein wenig singen. (Dies gilt aber nur von den ärmeren und
mittleren Volksklassen; die Mädchen der vornehmen uud reichen Chinesen
werden in allen möglichen Wissenschaften unterrichtet.) Eingesperrt in
das innere Gemach des Hauses, wird es zu Handarbeiten angehalten;
es muß Matratzen, Kleider und anderes in der Haushaltung Nötige
verfertigen lernen.
Mehr Sorgfalt wird auf die Erziehung der Knaben verwendet,
ja sie ist eine Hauptsache im chinesischen Familienleben. Bald be-
ginnt die Unterweisung in den Kindespflichten und den Anstandsregeln.
Obenan steht die Pflicht des Gehorsams und der Ehrerbietung gegen
die Eltern. Des Morgens und des Abends soll der Sohn den Eltern