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Erster Teil. 3n Haus und Hof 
geübten Lrbgewohnheiten gar nicht berücksichtigte, in unsern bäuer¬ 
lichen Kreisen auf den größten widerstand stoßen. Um sich seinen schäd¬ 
lichen Folgen zu entziehen, pflegte man daher durch Überlassungsvertrag 
oder durch letztwillige Verfügung die Nachfolge zu regeln und die Ab¬ 
findung der andern Kinder dem herkommen gemäß festzusetzen, wenn 
der Erblasser aber hierüber nichts bestimmt hatte, so trat auf verlangen 
auch nur eines Erben das gemeine Recht in Kraft. Um hierin eine Ände¬ 
rung zu erzielen, setzten die Neformbestrebungen des westfälischen 
Bauernvereins unter Führung des Freiherrn von Schorlemer-Rlst ein, 
die schließlich zur Rufstellung einer „Höferolle" führten. Diese stellte 
für die in sie verzeichneten Höfe Erhaltung und Vererbung nach dem 
alten Gewohnheitsrecht sicher, von der Befugnis zur Eintragung ist 
aber im allgemeinen wenig Gebrauch gemacht worden h, und deshalb 
wurde für Westfalen nach Rnhörung und auf Wunsch des Provinzialland¬ 
tages am 2.Juli 1898 ein neues Gesetz erlassen^), welches am 1. Januar 
1900 in Kraft getreten ist und die Lrbfitte im Zinne der Landbevölke¬ 
rung durchgreifender schützt. Ruch dieses hält die Verfügung über das 
Gut seitens des Besitzers bei Lebzeiten wie von Todes wegen aufrecht- 
doch bestimmt es, daß alle Landgüter, die eine selbständige Nahrungs¬ 
stelle bilden, beim Fehlen eines Testamentes nach dem Tode des Besitzers 
nur auf einen Erben, den Rnerben, übergehen sollen. Das Gut wird im 
Erbfall nach seinem Lrtragswert, nicht nach seinem verkaufswert abge¬ 
schätzt, der Rnerbe aber erhält nach Rbzug aller vorhandenen Schulden 
ein Drittel des Ertragswertes vorweg, sicherlich eine starke Bevorzugung, 
die aber für die Leistungsfähigkeit des ländlichen Grundbesitzes nur von 
günstiger Wirkung sein kann. 
Jetzt werden in den Teilen der Provinz, wo sich das Rnerberecht in 
der Volkssitte erhalten hatte, z.B. in der Soester Börde und in der Lippe¬ 
niederung, die Landgüter von Rmts wegen eingetragen und so zu Rn- 
erbengütern, in den übrigen Teilen der Provinz erst auf Rntrag des 
Eigentümers. Dft genug kommt es auch vor, beispielsweise in Minden- 
Ravensberg, daß die Kinder, die „abgefunden" werden müssen, auf die 
„Abfindungssumme" teilweise oder ganz verzichten, weil sie ihren Stolz 
und ihre Ehre dareinsetzen, daß der „Erbe" einen recht großen, gut ein¬ 
gerichteten und möglichst schuldenfreien Hof erhält. 
Sicherlich haben diese gesetzlichen und herkömmlichen Maßnahmen 
dazu beigetragen, daß dem westfälischen Bauernstande als ein kostbares 
Vermächtnis eins erhalten geblieben ist, die Bodenständigkeit. Rn den 
sichern und festen Besitz der Scholle durch lange Geschlechter vom Urahn 
bis zum letzten Enkel hinab hat sich aber im Sinne Ernst Moritz Rrndts 
die Sitte, das Gesetz, die Ehre, die Treue und die Liebe befestigt, die 
Liebe zu Herd und Hof und die Liebe zum vaterlande. 
Nach Vs. ®. Schulz. Die Entwicklung der^Landwirtschaft. 
1) 3m Jahre 1891 waren von 47 700 Gütern, die eingetragen werden 
konnten, nur 2470 eingetragen, davon 1759 im Landgerichtsbezirk Münster. 
2) Gesetz, betr. das Rnerberecht bei Landgütern in der Provinz Westfalen.
	        
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