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Unsere Verdauungswerkzeuge und Zähne sind anders gestaltet, als
die der bloß pflanzenfressenden Tiere; aber wir verdauen, wie schon
bemerkt, so gue Fleisch- wie Pflanzenspeise, während der Magensaft
des Adlers nicht einmal Brot zu zersetzen imstande ist und die vier
Mägen der wiederkäuenden Tiere kein Fleisch aufzulösen vermögen.
Wenn man aus unserer nördlichen Halbkugel von Norden nach
Süden geht, so findet man im allgemeinen, daß die Völker allmählich
stufenweise immer mehr vorzugsweise Pflanzenkost genießen. Nur die
Gebirgsgegenden, in denen die hohe Lage über der Meeresfläche selbst
zwischen den Wendekreisen ein nordisches Klima hervorbringt, bilden
davon eine Ausnahme. Der Russe und Schwede, der Norweger und
Däne, der Deutsche und der Niederländer liebt Fleischspeise; der Süd¬
franzose mehr Brot, der Italiener ist zufrieden mit seinen Makkaroni
(Rollnudeln), seiner Polenta (Brei von geröstetem Mehl mit Butter,
Ol und Parmesankäse gemischt) und Gemüsen; der Grieche und Türke
ist mäßig im Fleischgenuß, ebenso wie der ackerbautreibende Asiate; im
südlichen Indien bringen Millionen ihr lebenlang kein Stück Fleisch
zum Munde, und leben vorzugsweise von Reis oder Gemüsen und den
Früchten der Palmen, Bananen und von Milchspeisen. Auch essen
Südländer weniger als Bewohner des Nordens, und die Schiffer
nehmen, wenn sie die Meere im hohen Norden befahren, doppelt fo viel
Nahrungsmittel an Bord, als wenn ihre Fahrt nach dem Süden geht.
In manchen Küstengegenden bilden Fische das Hauptnahrungsmittel.
Ihr Genuß macht den Körper nicht so tierisch, animalisiert ihn weniger,
als ausschließliches Fleischessen; sie enthalten auch nicht so viel
Nahrungsstoff, was der Grund zu sein scheint, daß Fische bei allen
Völkern und in den verschiedenen Religionen für Fastenspeisen gelten.
Das Hauptnahrungsmittel in allen Erdteilen bilden übrigens
die Getreidearten, von denen jeder Menschenrasse oder vielmehr jedem
Erdteil eine vorzugsweise von der Natur zugeteilt ist. Der Europäer
nährt sich besonders von dem Brote aus Weizen, Roggen, Gerste und
(der Bergschotte z. B.) Hafer. Der Bau dieser Getreidearten verlangt
Fleiß, Sorgfalt, Ausdauer; er macht sicheres Privateigentum, Grund¬
besitz und gute Gesetze nötig. In den Ländern, wo er betrieben wird,
finden wir die Menschen geistig am meisten entwickelt, und das freieste,
regsamste Leben. Der größere Teil der Asiaten lebt von Reis, der
riicht in gegorenem Zustande, wie unser Brot, genossen wird. Beinahe
in allen Ländern, wo man ihn als einheimisches Produkt baut, finden
wir Sklaverei und Despotie. Die reisbanenden Länder scheinen vor¬
zugsweise für einen stehenden Zustand bestimmt zu sein, z. B. China,
Indien, zu beiden Seiten des Ganges, Länder, die zusammen eine
Bevölkerung von 350 Millionen Menschen zählen, also mehr als ein
Drittel sämtlicher Erdbewohner.
Die Hauptgetreideart Afrikas sind Kuskus oder Hirse, die in dem
glühheißen Boden gut gedeihen und nur geringe Sorgfalt erfordern.