Full text: Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild (Bd. 1)

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und nach der Mitte zu, ins Gesicht. Bald kann er sie nicht 
mehr sehen, sie ist wohl schon am Mauerpfeiler vorbei. So 
vergeht der Vormittag, die Schule ist aus. Frau Sonne lacht 
über die lustige Bubenschar, sie ist schon wieder um ein Stück 
höher. Wer sie sehen will, muß den Kopf ein bißchen zurück- 
legen. Nachmittag um 2 Uhr suchte der Michl sie vergebens 
an irgend einem Fenster, aber als die Kinder in den Schulhos 
hinterm Hause kamen, stand sie wieder da und war ein wenig 
tiefer gerutscht. „Nun wird sie bald hinter dem Haus auf die 
Wiese gekommen sein, dann geht sie ins Bett, so um 6 Uhr, 
i/27 Uhr" denkt der Michl! 
Der Herbst vergeht und der Winter kommt. Der Michl 
kümmert sich immer noch um die Sonne, aber er ist ihr 
ordentlich böse. So kurz ist die Zeit, wo sie sich zeigt, und 
wie schief fällt ihr Schein her, ganz hinüber zur Schulzimmer- 
türe kommt sie gar nicht mehr. Auch daheim streift sie nur 
am Fenster vorbei. Drum müssen sie alle so frieren, denn 
Holz und Kohlen sind teuer und das bißchen, das Mutter 
kauft, muß am Essen abgespart werden. Wie spät sie aber 
auch aufsteht, die faule Sonne! Um 8 Uhr, wenn der Michl 
in die Schule geht, ist es fast noch dämmerig oder eben erst 
hell geworden. Endlich, der Unterricht hat längst begonnen, 
kommt ihr blasser Schein beim Fenster herein aber bei den 
unteren Scheiben. „So spät wenn wir daherkämen," brummt 
der Michl für sich, „da möchte ich den Herrn Lehrer hören." 
Mittags, wenn die Schule aus ist, steht die Sonne noch nicht 
hoch überm Hansdach drüben. „Die richtet sich ihren Weg 
ordentlich kurz ein, damit sie bald zum Schlafen kommt, denn 
um 5 Uhr ist es ja schon stockdunkel," meint Michl. 
Der Winter vergeht, bald kommt der Osterhase. Nun ist 
bessere Zeit. Die Kinder brauchen die Sonne nicht mehr ums 
Ausschlafen zu beneiden. Sie steht mit ihnen auf und wenn 
sie ins Schulzimmer kommen, schüttet sie ihr goldenes Licht 
schon über Kisten und Töpfe am Fenster. Sie muß die Tulpen 
und andere Pflanzen, die die Kinder eingesetzt haben, wachsen 
machen. Schau, wie schnell sie bis in die Mitte des Zinnners 
scheint, alle Fenster streift sie. Der Herr Lehrer muß schon 
die Vorhänge schließen, damit das Licht nicht die Augen blendet. 
Und erst im Sommer, wenn es auf die Prüfung zugeht! 
Da steht die Sonne morgens schon so hoch am Himmel wie 
im Winter gegen Mittag. Das ganze Zimmer ist voll von 
ihrem Glanz, sogar über die Türwand zittert ihr Licht. Mittags,
	        
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