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dem Löwenthor in Mycenä fanden sich 7—11 m unter der Oberfläche sechs
Grabstätten, teils in den Felsen gehauen, teils, wo man aus loses Erdreich
traf, mit Steinen ausgesetzt, in jeder die Überreste mehrerer Toten. Neben
den Leichen lagen Gefäße von Thon, Alabaster von Gold, Schmucksachen aus
Edelmetallen und anderen Stoffen. Die Goldschmucksachen trugen höchst
zierliche Verzierungen, Menschen-, Tier- und Pflanzenfiguren darstellend:
Palmblätter und Palmen, Antilopen Leoparden und Löwen. Die Götzen-
bilder, die sich in den Ruhestätten fanden, gleichen zum Teil den phönizischen
Bildern der Astarte. Die Form der Gräber, die Art der Bestattung, Bildwerk
und Götzenbilder sind semitischen Ursprungs und beweisen, daß in Argos
Menschenalter hindurch Phönizier gewohnt haben. Wie in Argos, so finden sich
auch anderswo, so in Korinth, Salamis und Theben, Spuren der Phönizier,
von denen die Griechen ihre Maße und Gewichte, die heilige Siebenzahl, vor
allem aber ihr Alphabet als Geschenk erhielten. Auch die religiösen Vor-
stellungen und Dienste der Phönizier blieben nicht ohne Einfluß, den man
in einzelnen Göttergestalten der späteren Zeit, dem Herakles, der Aphrodite,
sehr deutlich erkennt; man findet in dieser die Astarte, in jenem den semitischen
Nimrod wieder, dem die Phönizier als dem Gott Baal Melkarth in allen
ihren Niederlassungen Altäre errichteten. Aber tief drang dieser Einfluß
auch auf diesem Gebiete nicht ein; er regte an, aber überwältigte nicht
Hatten die Phönizier sich fügen und schmiegen gelernt, um den Schutz und
die Gunst asiatischer Despoten nicht zu verscherzen, so erwuchs dagegen das
Volk der Griechen frei und stolz in seinem Lande und auf seinen Inseln,
nie hat es den Nacken einem fremden Herrn gebeugt.
2. Die Oötteriehre.
Die Erschaffung der Welt und der Menschen. Die Welt, so
glaubten die Hellenen, ist aus einer ungeordneten Masse, dem Chaos, hervor-
gegangen. Die ältesten Gottheiten waren Uranus, der Himmel, und Gäa,
die Erde. Ihre Kinder waren die Titanen, die rohen Naturgewalten, die
Uranus aus Furcht in dem finstern Tartarus angeschmiedet hatte. Aber
Kronos oder Saturn (die Zeit), der jüngste der Titanen, beraubte den
Vater der Weltherrschaft und stürzte ihn nun selber in den Tartarus. Da
Kronos von seinen Kindern gleiches Schicksal fürchtete, wie der gestürzte
Uranus prophezeit hatte, so verschlang er seine Söhne. Aber der jüngste
unter ihnen, Zeus, wurde von seiner Mutter Rhea gerettet; er zwang den
Vater, die Brüder herauszugeben, und verbannte ihn in die Unterwelt. Dann
loste er mit seinen Brüdern, Poseidon und Hades, um die drei Reiche der Welt;
er selbst gewann den Himmel, Poseidon das Meer und Hades die Unterwelt.