Full text: Globuslehre, Allgemeine Erdkunde, Länderkunde der außereuropäischen Erdteile und die Weltmeere (mit Ausschluß des Atlantischen Ozeans) (Teil 1)

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im August 1896 wieder in Bardo, während die Fram, von der Strömung ge- 
tragen, ungefähr zu derselben Zeit an der Westküste von Spitzbergen das freie 
Meer erreichte und am 24. August desselben Jahres in Tromsö einlief. 
Zu den Besonderheiten der Polargegend gehört die eigentümliche 
Beschaffenheit von Licht und Luft. Innerhalb des Polarkreises 
währt der längste Tag mehr als 24 Stunden, in Hammerfest 65 Tage, 
am Nordpol ein halbes Jahr. Die anziehendste Erscheinung des 
langen Tages ist die Mitternachtssonne. 
„Mittnachtssonn' von den Bergen scheint, blutrot anzuschauen, 
Es ist nicht Tag, es ist nicht Nacht, es ist ein seltsam Grauen." 
Infolge der tage-, Wochen- und monatelangen Einwirkung der 
wenn auch niedrigstehenden Sonne ist die Sonnenwärme größer, als 
man nach der geographischen Lage erwarten dürfte, der Winter aber 
um so kälter und länger. Die nahe dem Horizonte stehende Sonne 
bringt, indem sie ihre Lichtstrahlen durch verschieden erwärmte und 
daher ungleich dichte Luftschichten sendet, jene „Gaukelspiele" hervor, 
an denen der Norden so reich ist. Sie zeigt ferne Gegenstände ganz 
nahe oder verzerrt die Konturen des Eifes und nahen Landes ins 
Unkenntliche und zu phantastischen Gestalten, die ebenso plötzlich ver- 
schwinden, wie sie gekommen sind. Ist die Temperatur der Luft 
niedrig, und schweben feine Eisnadeln in der Atmosphäre, dann zeigt 
sich auch ein Farbenring mit Nebensonnen um die Sonne oder ein 
zu einer riesigen Fackel verzerrtes Sonnenbild über derselben — 
eine Sonnenfackel 
Die glänzendste Lichterscheinung aber ist das Nordlicht oder 
Polarlicht. Seine Hauptform ist ein frei schwebendes, wogendes 
Lichtband, welches von großer Beweglichkeit ist und häusig in mehr- 
facher Zahl zugleich am Himmel sich zeigt. Schießen aus diesem 
Lichtband Strahlen und Strahlenbündel, die zuweilen ein prächtiges 
Farbenspiel zeigen, gegen den Zenith empor, und vereinigen sie sich 
perspektivisch in einem Punkte des Himmels, so bilden sie die Nord- 
lichtkrone, eine Erscheinung von überwältigender Schönheit und 
Farbenpracht. 
Infolge der niedrigen und nur kurze Zeit anhaltenden Sommer- 
wärme ist die Pflanzenwelt sehr dürftig. Die den Nordküsten der 
Kontinente eigentümliche Vegetationsform ist die Tundra; im Winter 
eine gefrorene, schneeverwehte, endlos scheinende Ebene; im Sommer 
eine Flechten- und Moossteppe mit buntfarbigen Blumen, die unfern 
Alpenpflanzen nicht unähnlich sind, mit vereinzelten Sträuchern und 
spärlichem Gebüsch, unterbrochen von Seen, Sümpfen und Waffer- 
tümpeln. Wo auf höher gelegenen Stellen der weiße Schneemantel 
weicht, da erheben sich aus kleinen, dichten Rafenpolstern die niedliche 
Silene mit ihren hochroten Blüten, liebliche Steinbrecharten, die 
Alpenrose und das Hungerblümchen. 
1 Laube, Erläuterungen zu dem Hölzelschen Bilde: Das Säulenkap auf Kronprinz Rudolf-Land.
	        
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