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I. Vorderasien.
weiter südwärts P a l ä st i n a , hinter welchen die große Flußebene der Zwillings-
ströme Euphrat und Tigris liegt; im Süden Ägypten, einst auch zu Asien
gerechnet. Ostwärts aber von Kleinasien liegt im S. des Kaukasus das Hochland
Armenien (mit dem Ararat), das südlich nach Kurdistan oder Assyrien,
nach P e r s i e n und Medien fortsetzt.
Diese Länder, die den Schauplatz der biblischen Geschichte bilden, machen
(mit alleiniger Ausnahme der babylonischen Tiefebene, die jetzt die syrisch-arabische
Wüste heißt) ein bergiges Hochland aus, im N. am höchsten, im S. am niedrigsten.
Die Mitte desselben, auch den geschichtlichen Ausgangspunkt bildet Armenien,
im N. umwallt vom Kaukasus; den Westflügel das Tafelland Kleinasiens; den
schmalen südlichen Flügel das terrassenförmige Küstengebirge von Syrien; den breiten
östlichen und südöstlichen Flügel das Alpen- und Stufenland Kurdistan und weiter-
hin das Hochland von Persien. Sie sind sämtlich die Sitze der ältesten Staaten-
bildung und des frühesten Kulturlebens.
Fünf Meere umfluten Vorderasien und dringen zum Teil tief in dasselbe
ein, als Wasserbahnen für den Völkerverkehr: im W. drei zum Mittelmeer gehörige,
das Schwarze, das Ägeische und das Levantische Meer; im O. der Kaspi; im S.
der Persische Meerbusen und weiterhin das arabische und rote Meer, welche zum
Indischen Ozean gehörig, die Straße zwischen Indien, Vorderasien und Afrika bilden.
In der Natur Vorderasiens macht sich der Übergang von dem ozeanischen Klima
des Mittelmeeres zu dem kontinentalen des Orients bemerklich. Diejenigen Landschaften,
die noch mit Bergwaldungen, und somit auch mit reichlicher Bewässerung gesegnet sind,
haben das herrliche Klima von Makedonien und Griechenland, und in den niederen Ge-
genden uur zwei Jahreszeiten, Regenzeit und Sommer, mit derselben Vegetation und
Früchten wie jeue. So namentlich die Nordküste von Kleinasien, die Ostküste des Schwar-
zen Meeres (Kolchis), die Südabhänge des Kaukasus, die herrlichen Thallandschaften
Armeniens, die von Natnr so vortrefflichen Landschaften von Syrien und Palästina. Wo
dagegen Bewässerung mangelt, wie im Inneren Kleinasiens und besonders in der Syrischen
Tiefebene, da hat schou südliche Hitze und afrikanische Dürre mit den Tieren der Wüste
uud Heuschrecken überhand genommen. Aus Armenien aber und aus Kleinasien stammen
alle unsere Früchte: hauptsächlich unsere Getreidearten uud unser Obst, der Apfel und die
Birne, die Kirsche (Keras) und die Kastanie, Pflaumen und Aprikosen, uud besonders die
Rebe, die noch im alten Kolchis (S. 592) wild bis in die Wipfel der Bäume hinauf-
rankt; ebenso eine Menge der schönsten Blumen, die unsere Felder und Gärten schmücken.
Die dortigen herrlichen Waldungen haben feste dauernde Hölzer, für Schiffbau vortreff-
lich, die niedrigen Gegenden immergrüne Wälder mit den prachtvollsten Lorbeerbäumen
uud Oleauderu. Ebenso stammen auch unsere Haustiere von dieser Heimat aller unserer
Kultur.
Unterworfen sind diese Länder jetzt drei Mächten, wovon zwei zugleich euro-
päisch sind. Der russischen Großmacht gehört, nach vieljährigen Kämpfen mit
den kriegerischen Bergvölkern, Kankasien und das nördliche Armenien bis zum Ararat:
zusammen Transkankasien genannt, 8600 Q.-M., 473 066 qkm, mit 5^2 Mill.
Bew. Dem osmanischen Reiche gehören Kleinasien, Syrien, Palästina, die
syrisch-arabische Wüste, und das Kurdische Gebirgsland, nebst dem westlichen und
südlichen Armenien, zusammen die Asiatische Türkei, 34306 Q.-M., 1,9 Mill. qkm,
mit 16 Mill. Bew. Das persische Hochland nebst dem östlichen Armenien, 36 660
Q.-M., 12/3 Mill. qkm, mit 7^2 Mill. Bew. beherrscht der Schah von Persien,
ein gleichfalls mohammedanischer Herrscher. Denn diese Länder sind, wie einst der
Kern der Christenheit, jetzt die Hauptmacht des Islam geworden. Alle drei Mächte
grenzen am kleinen Ararat zusammen. — Unabhängig ist der größte Teil Arabiens.