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worten? Spare beizeiten, ehe es zu spät ist, ehe es auf die
Neige geht mit deinem Vorrate und deiner Kraft, etwas zu er⸗
werben. Spare in den Sommertagen für die Wintertage des
Lebens! Jeder gesunde Mensch aber hat wenigstens einmal im
Leben seine Sommer- und Erntezeit. In jungen Tagen baut
man sich für das Alter die Hütte; „wenn man im Rohre sitzt,
muß man die Pfeifen schneiden.“
Sparen soll ich, sagt der vierte, aber wozu? „Kommt
Zeit, kommt Rat!“ — Richtig; auch für dich wird Rat werden,
nämlich zum Bettelsack über dem Nacken und zu einem Eckchen
im Armenhause. Denn Herr Sparenichts und Herr Habenichts
haben von Anbeginn unter einem Dache gewohnt.
Sparen soll ich also, aber wo es lassen? fragt
Nachbar Ratlos. — Ist bei dir zu Stadt und Land keine Spar⸗
kasse und der Sparpfennig in deinem eigenen Gewahrsam nicht
sicher, so mache einen wohlhabenderen und rechtlichen Mann zu
deinem Einnehmer und bitte ihn dabei — nicht aus Mißtrauen,
sondern wegen Lebens und Sterbens — um zwei Zeilen Be—
scheinigung über geschehene Einzahlung.
Aber noch eins! Hat dir das Sprichwort: „Spare was,
so hast du was!“ das Sparen angeraten, so gerate aber doch
nicht aufs Geizen; sondern laß rechts den Geiz uud links die
Verschwendung liegen und gehe unbeirrt die edle Mittelstraße
der Sparsamkeit.
Sparen ist wohlgetan, aber nur ja nicht auf fremde Un⸗
kosten oder auf dem unrechten Fleck wie der Hamster, der andern
das Korn ausdrischt, um für sich einen Vorrat zu sammeln.
Nach dem Volksspiegel.
79. Von der Ehrlichkeit.
Wie im ganzen Leben des Menschen, so müssen auch im
Erwerbsleben die Grundsätze der Sittlichkeit herrschen. So selbst—
verständlich das erscheint, so wird es doch oft vergessen, ja wohl
gar von manchen bestritten. Da wird die „Wahrhaftigkeit“ als
unanwendbar beiseite geschoben, um der Lüge und dem Betruge
Platz zu machen; da wird gewissenlos gearbeitet, um einen größeren
Gewinn zu haben; da werden Versprechungen gegeben, aber nicht
gehalten u. J. w. Wollten alle einer solchen unsittlichen Auf—
fassung des Erwerbslebens anhängen, so würde schließlich der
Erfolg jeder wirtschaftlichen Tätigkeit in Frage gestellt und die
Wirtschaft des ganzen Volkes zuruückgehen. Holland und England
hätten niemals zu so hoher wirtschaftlicher Blüte gelangen können,
wenn dort nicht von altersher die Geschäftswelt ‚reell“, d. h. wahr