Das alte und das neue Reich.
In Tagen tiefer Erniedrigung, welche der französische G- walt-
Herrscher Napoleon I. über unser Vaterland gebracht hatte, cnt-
sagte Kaiser Franz II. am 6. August J806 der deutschen Kaiserwürde.
Damit war die Auflösung des heiligen Römischen Reiches deutscher
Nation nach tausendjährigem Bestände besiegelt. Krastvoll hatte
es unter Karl dem Großen begonnen; wechselvolle Schicksale hatte
es erlebt; unbetrauert sank es dahin, nachdem es seit geraumer
Zeit nur noch ein Schatten seiner einstigen Größe gewesen war. Nuu
begann eine kaiserlose Zeit, wie sie Deutschland 600 Jahre früher
nach dem Zusammenbruch des glanzvollen ^ohenftaufengeschlechts
schon einmal erlebt hatte. Deutschland war aus der Zahl der Mächte,
welche die 5rde beherrschten, gestrichen. Der deutsche Name wurde
zumGespötte der Völker. Das brachte die uneinigen Brüder allmählich
wieder zur Besinnung. Die Ohnmacht, zu welcher die deutschen
Staaten infolge ihrer Uneinigkeit verurteilt waren, rief bald eine
lebhafte Sehnsucht nach Linigkeit und nach einem mächtigen neuen
deutschen Reiche wach.
Und wieder kam eine schwere Zeit über Deutschland. Wieder
lagen die deutschen Völker mit dem westlichen Nachbar im Kampfe.
Schulter an Schulter stritten sie. Da wurde der Linheitsdrang leb-
haster denn je. Warum sollten die, die sich auf blutigem Schlacht-
feld verbrüdert hatten, wieder getrennt stehen und gehen, wenn
die Friedensglocken geläutet hatten? Noch während des Krieges