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gründliche Kenntniß über die Cülturläuder, zumal über Deutschland mit auf
den Lebensweg zu geben, während die vergleichende Methode zu immer all-
gemeinerer Anerkennung durchgedrungen ist. Um so auffälliger mußte das
Ankämpfen gegen dieselbe gerade bei Pädagogen erscheinen, da dieselbe, dem
Gedächtniß der Schüler die besten Dienste zu leisten, offenbar geeignet ist".^)
Unter die gegen die vergleichende Erdkunde ankämpfenden Pädagogen
gehört vor allem Volger.2) Derselbe kann sich nicht von der Zweckmäßig-
keit und Nothwendigkeit des neuen Geographenthums überzeugen' er will
darum dem alten sicheren (?) Grunde treu bleiben, demungeachtet aber die
neueren Ansichten benutzen (doch?) und davon gebrauchen, was jeder Classe
von Schülern angemessen sei, wovon in seiner Ausführung leider nicht viel
zu finden ift.3)
Zu denen, welche der alten Methode im geographischen Unterrichte
huldigen, gehören ferner die Gebrüder Paulus. Sie haben ihre An-
sichten über Geographie niedergelegt in dem Werke: „Die Prinzipien des
Unterrichts und der Erziehung, wissenschaftlich untersucht und beleuchtet"
(1. Abth. VII.). Die Verfasser meinen, daß der Begriff des Erdlebens oder
der Individualität der Länder und ihres Verhältnisses zum Erdganzen zum
Prineip der Geographie nicht ausreiche. Die Geographie müsse sich zu einer
Darstellung des materiellen Lebens der Menschheit gestalten. Sie legen die
Statistik als Eintheilungsprineip zu Grunde und ordnen dieser die Terrain-
beschreibnng unter. Wer nur das Leben der Natllr kennen lernen wolle, der
suche umsonst nach diesem in der Geographie. Nicht landschaftliche Schilde-
rnngen und allgemeine Darstellungen könnten die Jugend anziehen und bilden,
sondern Einzelheiten und bestimmt ausgesprochene Facta, und
solche also, d. h. vorzüglich Namen uud Zahlen, müßten den
Inhalt des geographischen Eursus bilden. Uebrigens bezeugen die
Verfasser aus ihrer eigenen Erfahrung, daß die angeblich (?) so leblosen sta-
tistischen Zahlenangaben der Jugend ein ebenso lebhaftes Interesse
einflößten (?), als irgend eine Naturbetrachtung.
Außerdem giebt es noch viele andere Schulgeographien, die als trockene
Stoffsammlungen zu genügen glauben. „Der Werth der vergleichenden Be-
Handlung für die Schulgeographie ist trotz des Vorganges von Ritter nicht
in der Allgemeinheit anerkannt und erprobt worden, als man hätte erwarten
sollen. ^) Anstatt in dieser Methode das geistige Band zu erkennen, wodurch
die einzelnen Glieder zusammengehalten werden, lagerte das alte geistlose
Verfahren feinen Ballast noch lange in schwerfälligen Compendien ab, in
denen ohne systematischen Zusammenhang de rebus omnibus et quibusdam
aliis abgehandelt wurde".^)
1) Schirrmacher in Schmid's Encyklopädie, II, 713. — 2) Volger, Schul¬
geographie für die mittleren Classeu der Gymnasien, für Bürger-, Real- und
Töchterschulen. — 3) Vgl. Mü tzell, Zeitschrift für Gymnasien, 317.— 4)Eilers
erzählt im zweiten Theile seines Werkes: „Meine Wanderung durch's Leben"
(S. 246), daß er auch iu den dreißiger Jahren manchen Lehrer der Geographie
an höhereu Schulanstalten kennen gelernt habe, der nichts von der mathe¬
matischen und physischen Geographie gewußt, keine deutliche Anschauung von der
Oberfläche der Erde, keine von den Gebirgszügen und Flußgebieten eines Landes
gehabt, geschweige denn vvn irgend einem Zusammenhange der Geographie und
Geschichte etwas gewußt hätte. — 5) Schirrmacher in Schmid's Encyklopüdie,
Ii, 712.