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Freilich setzen nicht blos weite Meere, sondern schon schmale Sunde der
Verbreitung von Landthieren und Landpflanzen oft unüberwindliche
Schranken.^) Insbesondere sind die wasserscheuen Reptilien und die Land-
schnecken durch sie in ihrer Verbreitung aufgehalten. Irland hat weniger
solche Thiere als Großbritannien, dieses weniger als der benachbarte Eon-
tinent. In historischer Zeit hat sich auch nicht Eine Pflanze über den Canal
oder über die Straße von Messina durch die Naturkräfte vom Continent auf
die fo nahe gelegenen Inseln verbreitet.
Das Meer kann der Verbreitung gewisser Pflanzen auch insofern hin-
derlich werden, als viele Pflanzensamen, wenn sie die See durchschwimmen,
im Salzwasser ihre Keimkraft verlieren. Zu deu wenigen begünstigten
Samen, deren Keimkraft unverwüstlich bleibt trotz aller Einwirkung der sal-
zigeu Meeresfluthen, gehört der der Cocospalme. Ungefährdet legen die
Nüsse dieses Baumes weite Seereisen zurück; es erklärt sich daraus, daß jene
Palme schon von Alters her auf den Koralleninseln eine so allgemeine Ver-
breitung gefunden hat.^)
3. Das Weer in seiner Wichtigkeit für das Leben der Menschen.
a. Der Oeean als Vermittler des Verkehrs und der Cultur.^)
In früherer Zeit war der Oeean für die Nationen eine trennende Schranke.
Er ist es noch heute für solche Völkerstämme, welche eine niedrige Gesittungs-
stufe einnehmen. Die Erfindung des Kompasses, die Fortschritte in der
Astronomie und die Dampfschifffahrt haben dem Meere feinen trennenden
Charakter genommen, sodaß es gegenwärtig für die gebildeten Völker eine
große Brücke abgiebt, welche die Erdtheile verbindet und dem Weltver-
kehr einen großartigen Aufschwung verliehen hat. Die entferntesten
Völker, die Bewohner entgegengesetzter, von einander getrennter Halbkugelu
traten durch das Meer in gegenseitige Berührung, indem sie die großen
Fahrstraßen desselben benutzten. So wird der Oeean dereinst alle Völker
der Erde zu einer großen Familie verbinden. Auf dem Meere schwimmen
die Produkte des einen Erdtheils hinüber zum andern; insbesondere werden
die feineren Erzeugnisse der Tropenzone gegen die gröberen Bedürfnisse hö-
herer Breiten mittelst der Meerschifffahrt ausgetauscht, und so dient der Oeean
dazu, die Güter und Genüsse aller Menschen auf der Erde auszugleichen.
Wie bedeutungsvoll der Waarentransport zur See für handeltreibende Völker
werden mußte, erhellt daraus, daß der kenntnißreiche Schiffer auf dem See-
Wege, indem er Winde und Strömungen benutzt, weit schneller zum Ziele
gelangt, als auf dem Landwege, daß die Mühseligkeiten und Gefahren des
Wasserwegs oft geringer sind, als die des Landwegs, wenn dieser durch das
Gebiet räuberischer Völker und durch unwegsame Gegenden führt, und daß
endlich der Transport von Handelsgütern zu Lande in vielen Fällen weit
mehr Kosten verursacht, als der Transport zur See.
Doch nicht allein dem Verkehr leistet der Oeean wichtige Dienste, sondern
er hat auch dazu beigetragen, die geistige Bildung der Eulturvölker
zu erhöhen, ihren Gesichtskreis zu erweitern und die weniger civili-
sirten Völker in überseeischen Erdräumen einer höheren Gesittungs-
stufe entgegenzuführen. Die oeeanifche Schifffahrt ermöglichte die
Entdeckung fremder Länder. Dadurch wurden die Wissenschaften, besonders
1) Pokorny 1. c. 318. — 2) Peschel, Prädestination der Inseln. Ausl.
1867, 171. — 3) Dommerich (Flathe), Lehrbuch der vergl. Erdkunde II, 55.