Full text: Der geographische Unterricht

17 
eigenen Pflichtbewußtsein nahm, um so eher mußte es sich bei den einzelnen 
Gliedern wieder einfinden. Dann erst konnte wieder moralische Gesundung, 
sittliche Würde in die Herzen der Menschheit ziehen, dann mochte mich wieder 
äußerer Wohlstand gewonnen werden. 
So wird man es wohl eine gnädige Fügung nennen dürfen, daß Branden¬ 
burg jetzt einen Fürsten zum Herrn erhielt, dem die Erfüllung der Pflicht zu¬ 
gleich das tiefste Bedürfnis des Herzens wie die strenge Forderung des Ver¬ 
standes war. Wie Friedrich Wilhelm einst in Holland als Jüngling im 
lebendigen Bewußtsein dessen, was er seiner Ehre und seinem Laude schulde, 
den lüsternen Gesellen den Rücken gekehrt hatte, wie er ungeachtet aller Ab¬ 
neigung gegen die Schwarzenbergsche Mißwirtschaft in pflichtschuldigem Gehor¬ 
sam sich unter die ihm so unliebsamen Gebote des Vaters gebeugt hatte, und 
von Holland zurückkehrend an dessen Hos sich begeben, demselben nach Preußen 
gefolgt war, so wollte er auch in feiner Regierung „dessen stets eingedenk 
bleiben, daß es nicht seine Sache sei, die er führe, sondern die des Volkes". 
Dies kräftig ausgebildete Pflichtbewußtsein in Verbindung mit einem festen Ver¬ 
trauen auf Gott gab dem Kurfürsten den Mut und die Sicherheit, gegen die 
äußeren und inneren Feinde seines Staates mit der gleichen Gewissensruhe in 
Güte wie mit Strenge aufzutreten, und die Pflicht gegen das Ganze gab ihm 
die sittliche Kraft, auch über juristisch begründete Rechte, die dem Ganzen zum 
Schaden werden mußten, hinwegzuschreiten. So schwer es ihm im Einzelfalle 
auch sein mochte, er stand dafür ein, daß summ um jus nicht summa injuria 
wurde. 
Auf Veranlassung der Kurfürstin-Witwe überreichte der General Georg 
Ernst von Wedelt dem jungen Kurfürsten in den ersten Tagen feiner Regierung 
eine Denkschrift, welche Regierungsgrundfätze aufstellte, die ihm zur Richtschnur 
dienen sollten. Wir hören zwar nicht, wie der junge Kurfürst dieselbe auf¬ 
genommen hat. Ohne Zweifel aber wirkte der fromme Ton, den sie anschlägt, 
aus sein Gemüt, die hohe klassische Bildung, die sie verrät, schlug eine ihm ver¬ 
wandte Saite an, und endlich die Realpolitik, die sie empfiehlt, stimmt in über¬ 
aus merkwürdiger Weise mit der vom Kurfürsten wirklich befolgten Politik 
überein. Schonung aller Unterthanen, auch der etwa widerspenstigen, wenn sie 
in ihrem Rechte zu sein glauben, die weise Beschränkung auf das, was zu er¬ 
reichen möglich ist, der Rat, es niemals auf die extrema ankommen zu lassen, 
der Hinweis, daß es besser sei, einstweilen ein wenig von seinem Recht nachzu¬ 
geben, als alles in die Schanze zu schlagen, und nicht nach dem Spruch aut 
Caesar, aut nihil zu handeln, vornehmlich aber auf die Erhaltung der Festungen 
zu sehen und sich ein Heer zu rüsten; das sind Ratschläge, von denen man 
meinen könnte, sie seien nicht Ratschläge für die Regierung des Kurfürsten, 
sondern die a u s derselben gezogene Quintessenz. 
Niemand zweifelt, daß der Führer eines Schiffes eine günstige Fahrt nur 
dann erzielt, wenn er Herr feiner Mannschaft, und des festen Gefüges der 
Meyer, Hohenzolleriibuch. I. Bd. y
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.