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Die fast gränzenlole Milde des Herzog Wil¬
helm V. konnte zwar nicht den Rcichthum der Liebe
erschöpfen, der in seinem Herzen war, wohl aber
erschöpfte sie seine Kaffen, welche schon unter der
vorigen Regierung sehr gelitten hatten. Die Schul¬
den waren ungemein angewachsen, das Verhältniß
des Herzogs zu den Ständen, welche die Lasten mit
dem Fürsten tragen sollten, war schwieriger gewor¬
den; der Landesherr sah sich nach allen Seiten hin
durch ein Gewirr von Verlegenheiten umstrickt.' Da
übergab er im Jahr 1598 seinem ältesten Sohne
Maximilian I. die Herrschaft, und zog sich mit
seiner Gemahlin Renata in eine Stille zurück, die
seinem Gemüth am meisten zusagte. Die von Wald
und grünen Wiesen umgebene Gegend des Lustschlos¬
ses Schleiß heim sollte noch jetzt jeden Besuchenden
in Liebe an den mildthätigen Wilhelm V. erinnern,
denn dort verweilte er oft und gerne. Er genoß
seines Ruhestandes noch 28 Jahre lang, denn erst
im Jahre 1626 , im 78ten Jahre seines Alters ver¬
schied er.
Maximilian 1°, der Große.
h. 12. Wenn ein Kind seinen Vater liebt
und es nicht dulden mag, daß Fremde den lieben
Vater tadeln, auch wenn wirklich einige Ursache zu
diesem Tadel vorhanden wäre, dann wird dieses Jeder¬
mann nicht unbillig noch unrecht finden. Um so mehr
aber billig und recht, wenn der Vater ein Solcher ist,
der in seinem ganzen Wesen auch dem Fremden Ach¬
tung gebieten sollte.