24. Das Straßburger Münster.
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Fast bescheiden liegt unten in der Thalschlucht, die der Neckar zwischen
dem Schloß und dem Heiligenberge übrig gelassen hat, die Stadt Heidelberg.
Sie zieht sich am linken Flußufer aus einem schmalen Streifen in die Länge
hin, denn die Ausdehnung in die Breite ward ihr versagt. Jetzt versuchen
die Häuser auch am Berge emporzuklimmen und es erscheint, von unten aus
gesehen, „als wäre die Stadt in einer Prozession zu dem Heiligtums seiner
Burgruine" begriffen, die alles überstrahlt, was erstere an Sehenswürdigkeiten
zu bieten hat.
Nach Zimmermann (A. all. Weltteil.).
34. Das Straßdurger Münster.
Zu den herrlichsten Bauwerken, welche in Deutschland die religiöse Be-
geisteruug des Mittelalters schuf, gehört das Straßburger Münster. Wie
auch Geschmack und Mode in der Kunst gewechselt haben, immer hat dasselbe
die Bewunderung aller Beschauer erregt. Noch ferne der Stadt, sieht man
schon die luftige und schlanke Steinpyramide über die Rheinebene aufsteigen.
Der Reisende aber, der in das Weichbild Straßbnrgs eingetreten, wird vor
allem dahin eilen, wo Erwins unvergängliches Werk riesengroß zum Himmel
emporsteigt. Wie klein und unansehnlich erscheinen dem gigantischen Bau gegen-
über die ihn umgebenden Wohnungen der Menschen!
Vor allem fesselt den Beschauer die sogenannte Fassade oder Westfront.
Sie ist im rein gotischen Stile gehalten und rührt zum guten Teile von Meister
Erwin her, der ihr liebevoll mehr als ein Menschenalter widmete. Als ein
ausrecht gestelltes längliches Viereck tritt uns die kolossale Wand mächtig
entgegen. Doch zeigt sie, wenn ihre einzelnen Teile mehr oder weniger un-
deutlich werden, z. B. in der Dämmerung oder bei Mondschein, wohlthnende
Verhältnisse. Durch mancherlei Öffnungen (Portale, Fenster), durch kunstvoll
angebrachte Skulpturen, dnrch allerlei Bildwerk, das sich in Vertiefungen zu-
rückzieht oder auf vorspringenden Kanten und Simsen Platz gesunden, erscheint
die Mauermasse gegliedert und belebt. Vier mächtige Strebepfeiler, die vom
Fuße des Baues bis zur sogenannten Plattform, von Stufe zu Stufe sich ver-
jüngend, aufsteigen, gliedern die Fassade in drei Abschnitte, welche auch durch
die drei Portale bezeichnet werden. Von unten aufwärts erscheint die schöne
Front in drei Geschosse geteilt. Die drei Portale, welche dem untersten Ge-
schösse angehören, verjüngen sich nach innen. Alle Verhältnisse daran sind
kolossal. Über der Wölbung jeder Pforte bemerkt man einen spitzgiebeligen
Aussatz, den man in der gotischen Bauart „Wimperg" (weil er, was dahinter
liegt, gewissermaßen vor dem Winde birgt oder schützt) zu nennen pflegt. Der