44. Der Schwarzwald. 
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als Bretter in Handel gebracht; andere Stämme werden zu Bauholz zugerichtet, 
die größten und schönsten Stämme aber werden als Holländertannen ans den 
Bergwässern hinab in den Rhein und ans diesem nach den Niederlanden geflößt, 
deren unerschöpfliches Holzmagazin seit Jahrhunderten der Schwarzwald ist. 
Und diese Flößerei ist keiu leichtes Stück Arbeit. Im Spätjahr, den Herbst 
und Winter über, werden die stattlichen Kiefern, Fichten und Weißtannen gefällt 
und in eigens hierzu eingerichteten Rinnen in pfeilschnellem Schuß den Berg- 
abhang heruntergestürzt. Dann sammelt man die zerstreut liegenden Stämme, 
verbindet sie an den durchbohrten Enden und bringt sie zur Zeit der Schnee- 
schmelze zu einem Floß vereinigt in das Bergwasser, das es dem Rheine zuführen 
soll. Am meisten geschieht dies auf der Kinzig, Murg und Enz, aber auch 
diesen Flüssen muß man wie den kleineren, weniger wasserreichen Bächen durch 
Schleusen und andere Einrichtungen zum Wasseranschwellen zu Hilfe kommen. 
Auf dem Rheine nun werden die verschiedenen Flöße bei Mannheim gesammelt, 
zum mächtigen Rheinsloß vereinigt, das auf feiuem Rücken eine Bemannung 
von oft 100 Köpfen samt Küche, Bäckerei und Viehstall trägt und Holland 
zusegelt, wo die Stämme bei dem Häuser- und Schiffsbau verwendet werden. 
Im Schwarzwald selbst hat der Waldreichtum eine ausgebreitete Holz- 
iudustrie hervorgerufen. Da fertigt man Bürsten, Kübel, allerlei Küchengerät- 
schasten, Holzschuhe, Schachtelu, geschnitzte Figuren; aber die eigentümlichste 
Industrie, die den Namen des Schwarzwaldes und seines geschickten und flei- 
ßigeu Volkes fast über die ganze Welt getragen hat, ist die seit dem 17. Jahr- 
hundert dort heimische Uhrenindustrie. Anfänglich beschränkte sich dieselbe auf 
die Anfertigung ganz aus Holz bestehender Wanduhren, aber rasch hat sich 
dieselbe vervollkommnet, und neben den eigentlichen Schwarzwälderuhren, die mit 
allerlei Künsteleien uud Spielereien versehen sind, wie die Kuckucks-, Trom- 
peter-, und Wachteluhren, bringt der Schwarzwälder auch geschmack- uud kunst- 
voll gearbeitete Uhren (Stutzuhren, Regulatoren) in Handel, die als Luxusmöbel 
die Prunkzimmer zieren und dabei durch pünktliche Genauigkeit sich auszeichnen. 
Haud in Hand mit dieser Industrie ging die Anfertigung von Spieluhren, 
Drehorgeln und sehr zusammengesetzten Musikinstrumenten, die man Orche- 
strions nannte. Nicht minder bedeutend ist endlich die Flechterei aus dem 
Stroh einheimischer Kornarten. Ihre Verfeinerung ist fo weit gediehen, daß 
gewisse Erzeugnisse mit den feinsten Florentiner Arbeiten wetteifern können. 
Wie die Beschäftigung der Schwarzwälder in Zusammenhang steht mit 
der Eigentümlichkeit ihrer Heimat, so auch der Charakter der Bevölkerung, die 
zu dem alemannisch-schwäbischen Zweige des deutschen Volkes zählt. Es ist ein 
gesunder, kräftiger Menschenschlag, naturwüchsig wie seine Berge, fest in Ge- 
sinnung und Wort, biedere, treuherzige Lente von ungeschminkter Zutraulich- 
keit und liebenswürdiger Gemütlichkeit, und wenn auch noch in den umlaufenden
	        
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