Full text: Geographische Charakterbilder aus Europa (Teil 2)

Die Ernte bei den Siebenbürger Sachsen. 
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In zwei Tagen, wenn die Witterung gut geht, ist das Heu fertig. 
Am dritten kommen auf Befehl des Hannen die Herden ins Dorf 
und zur bestimmten Stunde wird das Heu eingeführt. 
Sobald der letzte Wagen im Dorf ist, treiben die Hirten das 
Vieh aus. Das Fallthor öffnet sich wieder und in 15 bis 20 Tagen 
ist alles Heu eingeführt. 
Derweil ist auch das Feld reif zur Erute und der ersehnte 
Augenblick da, anzuschlagen die Sicheln. Der Pfarrer eröffnet durch 
feierlichen Gottesdienst, an dem alt und jung im Feierkleid teilnimmt, die 
Ernte; allabendlich kommt das Gesinde (die konfirmierte Jugend) nach 
gethaner Arbeit mit dem Loblied ins Dorf: „Nun danket alle Gott". 
Wohl zur geziemenden Vorbereitung auf den würdigen Empfang 
und Genuß des Erntesegens ordnet die kirchliche Sitte vor dem Beginne der 
Ernte auch die Feier des heiligen Abendmahles an. Amt und Kommunität 
bestimmen den Beginn der Ernte und das Einheimsen der Früchte. 
Soll die Frucht am nächsten Tage eingeführt werden, so dampfen 
in der vorhergehenden Nacht die Backöfen uud vom schönsten Weizen 
werden Brot und Kuchen gebacken. Am frühen Morgen werden die 
Blumengärten ihres kargen Schmuckes entkleidet, denn jeder Bursche 
muß, wenn er Korn fährt, einen mächtigen Blumenstrauß auf dem 
weithin schattenden Hut tragen. 
In 10 bis 12 Tagen ist ein ausgedehntes Kornfeld geräumt und 
sind die Früchte unter Dach und Fach, wenn nicht inzwischen ein aus- 
giebiger Regen zur zweiten Umpflügung des Brachfeldes Veranlassung gab. 
Nur der Sonntag unterbricht als Ruhetag die schwere Arbeit 
der Woche. Kein Wuuder, wenn des wohlehrwürdigen Herrn Pfarrers 
wohlgesetzte Rede auf manchen müden Zuhörer im warmen Kirchen- 
pelz wie ein sanftes Wiegenlied wirkt. 
Kaum ist der reiche Weizeusegeu eingeheimst, so „schickt sich" 
auch der Hafer, und wieder gilts anzuschlagen die Sichel. Die Hitze 
ist zwar unerträglicher geworden, aber man muß sich tiefer bücken. 
Hat nur nicht Ungeziefer das körnerreiche Gewächs gefressen, so thut 
maus unverdrossenen Mutes. 
Mit neugierigen Augen mustert alt und jung am grauenden 
Morgen die nach Hafer ausfahrenden Wagen. Dann siehst du auf 
dem stattlichen Sattelroß einen Burscheu mit wallendem Blumen- 
stranß und hinten auf dem langen Erntewagen eine festlich gekleidete 
Dirne; es ist das ein sicheres Zeichen, daß beide um Catharinae 
Mann und Weib werden wollen. 
Es folgt die Maisernte. In zwei „Schlägen" (Abteilungen) wird
	        
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