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Süd - Europa.
Löwenköpfen nieder. Ohne Blumen, ohne Baum ist der Löwenhof;
die Träger seines Brunnens sind die einzigen Darstellungen des Lebens,
welche er enthält uud dennoch atmet er fast hörbar mit der wunder-
samen Natur des Südens, Schritte erschallen — ich raffte mich auf
uud ging in das anstoßende Gemach, die Halle der Abencerragen.
Boabdil der Kleine soll seine Mutter hier au ihrer christlichen Neben-
bnhlerin Zoraya, dem Stern des Morgens, gerächt uud dereu An-
Hänger, die ritterlichen Abencerragen, ermordet haben. Die Blut-
flecke werden romantischen Frennden noch heute gezeigt. Die Halle
ist einer der reichsten Räume der Alhambra. Stalaktitendach, dessen
rote uud blaue Bemalung teilweise noch zu sehen ist, wölbt sich über
ihr. Eine Galerie, wie sie die Araber so liebten, zieht sich unter
den tausend Zacken und Tropfsteinbildungen der Decke hiu.
Der der Eingangswand des Löwenhofes gegenüberliegende Pavillon
führt zur Sala del Tribunal. Das ist ein langer Gang, den sechs
Bogen mit wundervoller Stalaktitenwölbung in sieben Abteilungen
scheiden, über vier derselben erhebt sich eine bienenkorbähnliche Decke
mit einer Fülle von herabhängenden Zapfen oder verfleinten Tropfen,
über dreien schimmert das Himmelsblau. Gegenüber der Abencer-
ragenhalle liegt die Sala de las dos Hermanas, der beiden Schwestern.
Zwei ganz gleiche Marmortafeln geben ihr diesen Namen. Ein Sta-
laktitendach in Blau, Rot, Grün und Gold wölbt sich über ihr, dar-
unter zieht sich eine Galerie hin uud in den Ecken schließen sich
wieder Wölbungen an. Über den Thüren befindet sich je ein Fenster,
durch welches wohl die Damen des Harem den Festen zuschauten,
die man unten gab.
In diesen Sälen ist der Orangenduft noch stärker als anderswo,
wir folgen ihm und kommen in die Sala de los Ajemeces. Hier
öffnet sich ein kleiner Balkonvorbau auf einen mit Orangen dicht
bestandenen Hof, den Patio de Lindaraja. Die vollen Blütenzweige
nicken zu dem Erker herein, der wohl einst der Lieblingsanfenthalt einer
Snltana war. Eiuen wonnigeren Platz vermag man sich nicht zu denken.
Heimlich breche ich mir einen Zweig von den Orangen und
gehe weiter. Durch maurische Bäder, durch Räume, welche die
katholischen Könige nach der Maurenzeit benutzten, komme ich wieder
in einen Patio, er ist der größte Raum der Alhambra, der Myrten-
Hof. Ein Bassin mit hellgrünem, klarem Wasser, in dem Goldfische
schwimmen, befindet sich in seiner Mitte, eingefaßt von kurz geschorenen
Myrtenhecken, aus denen kleine Orangenbäume hervorragen. Säulen-
hallen begrenzen an den Schmalseiten diesen anmutigen Raum. Die eine