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fremde Rohstoffe, wie Wolle, Baumwolle und Seide ins Land, die Erschließung
des erzgebirgischeu Kohlenbeckens machte ihren belebenden Einfluß geltend,
Maschinen verschiedenster Art hielten ihren Einzug, und so erwuchs dem Erz¬
gebirge der Ruhm des volkreichsten nicht nur, sondern auch des gewerbreichsteu
Gebirges im ganzen Deutschen Reiche.
Es kann hier nicht der Ort sein, auf die einzelnen Berufsarten und
ihre Verbreitung genauer einzugehen, aber auf die auß erordentliche Mannig¬
faltigkeit der Industrie des Erzgebirges sei nochmals hingewiesen. Man
mnß wirklich lange suchen, ehe man einen Industriezweig findet, der nicht
vertreten ist. Alles, was die geschickte Hand thun und die Maschine aus¬
führen kann, — alles das geht aus den Hütten der Bewohner des Erzge-
birges oder aus den über das ganze .Gebirge verbreiteten Fabriken hervor.
Einige Berufsarten verdienen aber doch wegen ihrer an einzelnen Orten relativ
starken Verbreitung (sehr oft „Hausindustrie"!) oder wegen ihrer Weltberühmtheit
noch besondere Erwähnung, so die Holz- und Spielwarenindustrie in
dem Gebiete der Flöha (mit den Hauptorten Grünhainichen und Eppendorf
im Norden und Olbernhau und Seiffen im Süden), die Ba umwo llenspinnerei
und -Weberei in Chemnitz („dem sächsischen Manchester") und dessen weiterer
Umgebung, die Strumpfwirkerei (Wirkerei und Stickerei) in demselben
Gebietes, die Posamentenfabrikation im Sehmathale (obenan Annaberg
und Buchholz)^), die Spitzen kl öppelei im westlichen Obererzgebirge (von
Marienberg bis Schneeberg-Eibenstock?), die Näherei und Stickerei zwischen
J) Bon der Zschopau bis zur Zwickauer Mulde und von Lößnitz im Süden bis
Mittweida im Norden hört man von Haus zu Haus den „Strumpfstuhl" rasseln, der ans
Wolle, Baumwolle, Seide und Halbseide Strümpfe uud Handschuhe, Hosen und Westen,
Jacken und Mützen, Kleider und Hauben zu Hunderttauscnden wirkt. Die Fabrikate finden
Absatz nach allen Weltteilen, vorwiegend jedoch nach den Vereinigten Staaten von Amerika.
Den Umfang der Wirkwarenindustrie schätzt man auf 40 Millionen Mark.
2) Nahezu der fünfte Teil der Bevölkerung von Annaberg und Buchholz beschäftigt
üch mit Posamentenfabrikation und schon seit Jahren hat eine Anzahl Berliner
Häuser in Annaberg, (neuerdings auch in Weipert) Zweiggeschäfre errichtet; denn Berlin
iiiü seiner hochentwickelten Konfektion braucht nächst den Vereinigten Staaten von Amerika
(jährlich für reichlich 5 Mill. Mk.) die größten Mengen von Posamenten. Die Mannigfaltigkeit
der Posamentenerzeugung läßt sich nur andeuten: alles, was Kleiderbesatz uud Garnitur
heißt, Ornamente, Knopf, Borte, Franse, Quaste, Schnur wird gewirkt und geschlungen,
gedreht und genäht.
3) Das Klöppeln erfolgt auf dem Klöppelsack, einem walzenförmigen Kissen, ver-
niiltelst des Klöppelbriefes, eines Streifen Papieres, auf dem das Muster vorgezeichnet ist.
Aus diesem Klöppelbriefe werden die Fäden durch „Schläge" um eingesteckte Nadeln ge¬
schlungen und verknüpft und durch die Maschen und das Muster gebildet werden. Jeder
Faden ist an einen Klöppel, das sind etwa 10 cm lange Holzstäbchen in der Form von