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Gotteshaus drohte eine Ruine zu werden. Der französische Bischof
Bertholet machte den Vorschlag-, den Bau wenigstens von der Ost-
und Südseite dicht mit Pappeln zu umpflanzen, um die geschmack¬
lose gotische Ruine den Blicken zu entziehen, und um die Schändung
vollständig zu machen, wurde 1796 nach der Besetzung Kölns durch
die Franzosen das erhabene Bauwerk sogar zu Magazinzwecken
und Pferdestallungen eingerichtet und der Gottesdienst im Dome
eingestellt.
Mit dem Erwachen eines neuen geistigen Lebens nach dem
glorreichen Freiheitskriege 1813—1815 fällt auch das Wieder¬
erwachen der Liebe für die Schöpfungen der Vorzeit zusammen.
Vaterlandsliebende und kunstsinnige Männer wiesen auf die Schön¬
heit des Domes hin und weckten den Sinn und die Liebe für dieses
Bauwerk, für dessen gotische Formen das Verständnis fast ganz
erloschen war. Namentlich war es Sulpiz Boisseree, ein Kölner,
der durch die Herausgabe einer Geschichte, Beschreibung und Ab¬
bildung der Kirche und das Wiederauffinden der Originalpläne das
Interesse für den Dom auch in höheren Kreisen wesentlich förderte.
Besonders begeisterte er den kunstsinnigen Kronprinzen von Preußen,
den späteren König Friedrich Wilhelm IV., für den Bau. Diesem
gelang es, die Mittel flüssig zu machen, durch die zunächst wenigstens
dem ferneren Verfalle des Bauwerkes vorgebeugt werden konnte.
Als aber am 4. September 1842 das neuhergesteilte Chor festlich
eingeweiht wurde, fand zugleich die Grundsteinlegung zum Fortbau
des Domes statt, und Friedrich Wilhelm sprach dabei die ewig
denkwürdigen Worte: „Hier, wo der Grundstein liegt, dort mit
jenen Türmen zugleich, sollen sich die schönsten Tore der Welt
erheben. Deutschland baut sie, — so mögen sie für Deutschland,
durch Gottes Gnade, Tore einer neuen, großen guten Zeit werden!“
Der König selbst stellte sich an die Spitze des Zentral-Dombau-
Vereins, der den Zweck verfolgte, durch regelmäßige Beiträge
Mittel zum Fortbau zu beschaffen, und unter dem Vortritte seiner
Fürsten, unter denen sich besonders der kunstsinnige König Ludwig
von Bayern durch bedeutende Schenkungen auszeichnete, vereinigten
sich alle Stämme Deutschlands, Katholiken und Protestanten, zu
reichen Gaben für die Fortsetzung des Baues. Ungeheure Summen
steuerten auch die Ergebnisse der Dombaulotterien bei. Die Leitung
des Baues wurde in Ernst Zwirners geniale Hand gelegt und nach
dessen Tode (1861) Richard Voigtei anvertraut.