154 
Liberale Parteien. 
sozialer Verein. Dieser wollte ein starkes Nationalgefühl, eine 
unbedingte Liebe zu dem Kaisertum vereinen mit einer äußerst 
weitgehenden Arbeiterpolitik, mit einer Demokratie, wie sie in 
Preußen-Deutschland zunächst nur eine Utopie ist. Infolge der 
Mahlen von 190Z wurde wegen der Mißerfolge die bisherige 
Organisation des Nationalsozialen Vereins aufgehoben und der 
Anschluß an die freisinnige Vereinigung beschlossen. Durch die 
Wahlen von 1907 ist Pfarrer Naumann als dessen Mitglied in den 
Reichstag gekommen. Der bisherige Parteisekretär Ehr. Mauren¬ 
brecher trat zur Sozialdemokratie über, A. Damaschke lehnte den 
Anschluß wie andere gleichfalls ab und widmet sich nach wie vor 
der von ihm besonders eifrig propagierten Bodenbesitzreform. 
Was die Presse dieser Parteien angeht, so ist die „Preußische 
Kreuzzeitung" das Organ der konservativen Partei, die „Post" 
dasjenige der Neichspartei, auch freikonservative Partei genannt, 
während die Zeitung „Das Volk" Stöckers Ansichten vertrat und 
„Die chilfe" nationalsoziale Tendenzen verfolgte. 
Betrachten wir die liberalen Parteirichtungen. Den Ge¬ 
danken, das Leben nach persönlichem Bedürfnis einzurichten, die 
Freiheit des Individuums in geistigen, religiösen, politischen und 
wirtschaftlichen Erscheinungsformen des Daseins zu erringen, 
hat der Liberalismus zum beherrschenden Grundsatz erhoben 
und im Laufe des ^9- Jahrhunderts vielfach jahrzehntelang sieg¬ 
reich durchgesetzt. In wirtschaftlicher Beziehung sind die Ein¬ 
flüsse der klassischen englischen Nationalökonomie unverkennbar, 
so daß man das liberale Wirtschaftsprinzip gleichstellen kann mit 
denjenigen Vorstellungen, die, von Adam Smith und seinerSchule 
verkündet, lange Zeit als ein Evangelium galten. Das freie 
Spiel der wirtschaftlichen Kräfte, der wohlverstandene Egoismus 
der Einzelnen sollte maßgebend sein für die Verständigung der 
Menschen untereinander. Die liberalistische Weltanschauung hat 
große Wirkungen gezeitigt. Ohne sie wäre weder die Bauern¬ 
befreiung, noch die Beseitigung der Zünfte, noch die Gewerbe¬ 
freiheit, noch die unbeschränkte Niederlassungsfreiheit denkbar. 
Lediglich die liberale Weltanschauung hat das Grundeigentum von 
der Schmach menschenunwürdiger Bauernuntertänigkeit befreit. 
Auch die anderen großen sogenannten negativen freiheitsrechte, 
wie Verehelichungsfreiheit, das Recht der Vereine und Ver¬ 
sammlungen, Preßfreiheit, Religionsfreiheit usw. verdanken 
ihren schließlichen Sieg in Deutschland dieser allgemeinen liberalen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.