Full text: Allgemeine Erdkunde in Bildern (Teil 1)

Erläuternder Text. 
1. Allgemeine geographische Übersichten und Gelände¬ 
aufnahme. 
Die Oberfläche der Erdkugel mit ihren vielfachen Erscheinungs¬ 
formen zu erkennen und darzustellen, sowie die Wechselwirkungen 
zwischen der Menschheit und der übrigen Natur (organischen und 
unorganischen) ausfindig zu machen, das sind die Hauptaufgaben der 
allgemeinen Erdkunde. 
Bei der Erdkugel unterscheidet man die Gesteinshülle oder die 
Lithosphäre, die Wasserhülle oder die Hydrosphäre und die Lufthülle oder 
die Atmosphäre. Die Gesteinshülle, welche die Unterlage der gesamten 
Wasserhülle und der Lufthülle, soweit diese nicht auf den Oceanen 
ruht, bildet, besteht im Gegensätze zu der tropfbaren Hydrosphäre und 
der gasförmigen Atmosphäre aus festen Massen und übertrifft jene bei 
weitem an Rauminhalt und Gewicht. Während die Wasserhülle nur 
’/* 7« der Erdkugel ausmacht und ihre Dichte (spezifisches Gewicht) 
1,026 beträgt, entfallen auf die Gesteinshülle, einschliesslich des 
unbekannten Erdinnem, 99 */2 %, und ihre Dichte beläuft sich auf 5,6. 
Die Gesteinshülle tritt nur zum kleineren Teile zu Tage; zum grösseren 
Teile wird ihre Oberfläche von Wasser bedeckt; das Verhältnis der 
freien zur bedeckten Fläche stellt sich wie 2 : 5. 
Der oberflächliche Teil der Gesteinshülle wird, soweit er aus 
festen Massen (Gesteinen) besteht, als Erdkruste bezeichnet; die Dicke 
derselben ist unbekannt; die darüber angestelltcn Schätzungen schwanken 
zwischen 40 und 1560 km; im ersteren Falle würde die Dicke der 
Erdkruste etwa 1lum, im letzteren etwa 'U des Erdradius ausmachen. 
Über die Beschaffenheit des Erdinnem, welches nach innen zu auf 
die Kruste folgt, giebt es nur Vermutungen. Nach Laplace, Fourier 
und Cordier befindet sich das Erdinnere in einem glutflüssigen Zustande. 
Sie stützten sich dabei auf die Thatsache, dass den Vulkanen, vgl. 
Taf. 11, geschmolzene Steine entquellen, die an weit voneinander ge¬ 
legenen Stellen der Erdoberfläche die gleiche Zusammensetzung besitzen. 
Auch die gewaltigen Senkungen und Einbrüche, die uns die Erd¬ 
geschichte lehrt, werden als Beweis eines nachgiebigen, also nicht 
starren Erdinnem gedeutet. Nach G. H. Darwin und Wm. Thomson 
(Lord Kelvin) soll das Erdinnere trotz der ungeheuren, dort herr¬ 
schenden Hitze starr sein. Als Beweis dafür führen sie u. a. die 
Ebbe- und Fluterscheinungen des Meeres an, deren Grösse sich ganz 
verschieden je nach dem Grade der Starrheit der Erde gestalten müsse. 
Andere Forscher, wie Roche, vertreten die Anschauung, dass unter der 
Erdkruste sich eine flüssige Schicht befinde, der Erdkern aber wieder 
fest sei. Wieder andere Gelehrte sind der Meinung, dass das Erd¬ 
innere eine gasförmige Beschaffenheit habe; als Beweis führen sie den 
für viele Körper festgestellten Satz an, dass es für sie eine kritische 
Temperatur giebt, oberhalb deren sie nur noch in Gasform zu bestehen 
vermögen. Zwischen der Gasform des innersten Erdkerns und dem 
festen Zustande der Erdkruste giebt es nun eine Reihe von Über¬ 
gängen, die zwischeneinander allmählich stattfinden. In einer gewissen 
Tiefe müssen nämlich die Schichten der Erdkruste viel von ihrer 
Starrheit eingebüsst haben, so dass sie sich allen Formen anschmiegen 
können; man kann ihren (latent plastischen) Zustand mit der Be¬ 
schaffenheit des Siegellacks vergleichen. Weiter unten würden dann 
erst zähflüssige Massen wie Pech, dann wie Melasse, schliesslich 
flüssige wie Öl und wie Wasser folgen. Auch der Übergang von den 
flüssigen zu den gasförmigen Teilen des Erdinnem vollzieht sich nicht 
sprungweise; unterhalb der Flüssigkeitshülle folgt nämlich eine Gas- 
liülle mit Gasen chemischer Verbindungen; endlich in den centralen 
Teilen des Erdinnem, den Erdkern zusammensetzend, folgt ein ein¬ 
atomiges Gas. 
Die im vorstehenden kurz dargelegte Lehre von der allmählichen 
Veränderung der Zustände des Erdinnem wird durch die fg. a zur 
Darstellung gebracht. Der rote, auf der Figur kreisförmige, in Wirk¬ 
lichkeit kugelförmige Raum bezeichnet die Centralsphäre des ein¬ 
atomigen Gases; die durch die Buchstaben a—e bezeichnten, lila¬ 
farbigen Kreisringe bezw. Kugelschalen veranschaulichen die Haupt¬ 
übergänge zwischen der Gasform und der Erdkruste, und zwar a die 
Zone des gemischten Gases, b die Zone des Übergangs vom Gas zur 
Flüssigkeit, c die Zone der flüssigen Massen, d die Zone der Zäh¬ 
flüssigkeit, e endlich die Zone der plastischen Stoffe, unmittelbar 
unter der Erdkruste, welche auf unserer Figur eine braune Farbe trägt. 
Die Oberfläche derErdk rüste ist sehr unregelmässig gestaltet 
und zeigt bedeutende Abweichungen von der Gestalt des reinen Kugel¬ 
mantels. Davon giebt unsere fg. a eine Anschauung. Die tiefste 
Senkung bezw. die grösste Meerestiefe, 9430 m*) betragend, befindet sich 
nach den neuesten Messungen zwischen Neuseeland und den Tonga¬ 
inseln, die grösste Erhebung dagegen, 8840 m, im Himalayagebirge. 
Das äusserste Mass der Unregelmässigkeiten in der Oberfläche der 
Erdkruste macht demnach 18270 m oder rund 19 km aus, was etwa 
dem dreihundertvierundfünfzigsten Teile des Erdradius am Äquator 
entspricht. Dieses Mass, welches im Verhältnis zur Grösse der Erde 
sehr wenig bedeutet, kann weder auf bildlichem noch auf plastischem 
Wege zu einem richtigen Ausdrucke gebracht werden; daher muss 
dafür stets ein bedeutend vergrösserter Massstab gewählt, die 
Darstellung also absichtlich gefälscht werden. Auf unserer Figur ist 
das für die Darstellung der Oberfläche der Erdkruste gewählte Mass 
125 mal grösser als das Mass der Erdkugel. 
Das Verhältnis des sichtbaren Teiles der Oberfläche der Erdkruste 
zu dem mit Wasser bedeckten stellt sich am Äquator etwa wie 1:4; 
in vielen Teilen der nördlichen Halbkugel ist es bedeutend grösser, 
namentlich in der Gegend des 30. bis 70. Breitengrades; auf der süd¬ 
*) Auf Tafel 1 fg. c ist die grösste Tiefe versehentlich mit 9417 m an¬ 
gegeben worden. 
liehen Halbkugel ist es überall bedeutend kleiner, südlich des 56.“ s. Br. 
verschwindet das Land vollständig, und das Wasser herrscht aus¬ 
schliesslich. Letzteres ist, nach den neuesten Annahmen, auch in der 
unmittelbaren Umgebung des Nordpoles der Fall. Über die Verteilung 
von Land und Wasser in der Südpolarregion haben wir keine Kenntnis; 
aus der Beobachtung aber, dass dort Eisberge von ungewöhnlichem 
Umfange Vorkommen, glaubt man schliessen zu dürfen, dass in der 
Nähe des Südpoles ein ausgedehntes Festland liegt. 
Die vergleichende Zusammenstellung einer Anzahl wich¬ 
tiger Berge befindet sich auf fg. b. Diese sind in der Richtung 
von Süden nach Norden angeordnet, um auf dieser Figur zugleich auch 
den Verlauf der Grenzen des Pflanzen Wuchses und des ewigen Schnees 
zeigen zu können. Aus früher angegebenen Gründen ist der Massstab 
der Höhen im Verhältnis zu dem der Längenerstreckung des dar¬ 
gestellten Gebietes in sehr bedeutendem Grade übertrieben, denn unsere 
Bergreihe erstreckt sich vom Feuerland unter 50° s. Br. bis nach Spitz¬ 
bergen unter 70° n. Br., also durch 128 Breitegrade oder rund 
14200 km. Wollte man der Höhe denselben Massstab geben wie der 
Länge, so würde der höchste Berg der Erde, der Gaurisankar, nur 
eine Höhe von 0,2 mm erhalten; sollte aber der letztere eine Höhe 
von etwa 40 mm, wie er sie auf unserer Figur hat, erhalten, so würde 
diese reichlich 6 m lang werden müssen. Ebenso wenig wie der 
Höhenmassstab ist auf unserer Figur auch die Gestalt der Berge natur¬ 
getreu wiedergegeben, aber die dargestellten Bergformen sind wenigstens 
naturähnlich; manche Teile gleichen Gebirgen bezüglich des Verlaufes 
der Kammlinie und der Gestalt der Vorgebirge, andere stellen wieder 
Berggruppen oder Massive dar, andere wiederum charakteristische 
Einzelberge, namentlich in der Form, wie sie sich aus der Feme be¬ 
trachtet darbietet; im ganzen überwiegt allerdings die Pyramidenform. 
Wichtig sind auf unserer fg. b die Linien, welche die Grenzen 
des ewigen Schnees und der hauptsächlichsten Regionen des 
Pflanzenwuchses darstellen. Das hellere Grün bezeichnet die 
Region der immergrünen Laubbäume, welche in den tropischen Ge¬ 
birgen bis zu einer Höhe von 2000 m, teilweise auch noch höher 
hinaufreichen. Das dunklere Grün drückt die Region der sommer¬ 
grünen Laubbäume und der Nadelhölzer aus, welche je nach der 
Breitenlage der Gebirge eine verschiedene Höhe erreichen, in den 
Tropen bis 4000 m, in den europäischen Alpen bis 1800 m; je weiter 
nach Norden, desto weiter nach unten. Dieselbe Beobachtung macht 
man bezüglich der Höhenlage der Mattenregion, welche, durch 
braune Farbe angedeutet, in den nördlichsten und südlichsten Gebirgen 
am Meeresspiegel liegt, in manchen Teilen der Tropen bis an 5500 m 
hinaufgeht. Die obere Grenze der Matten bildet zugleich die untere 
Grenze der Region des ewigen Schnees, welche die weisseFarbe 
erhalten hat. 
Die in der weissen Farbe hervortretenden Schraffenlinien sollen 
an deuten, dass die Gebilde des ewigen Schnees Unterbrechungen durch 
kahle Felspartien erleiden. Aus dem Firnschnee entstehen die 
Gletscher — näheres darüber vgl. zu Taf. 4 —, welche durch die 
Mattenregion bis in die Region der Laubbäume hineinreichen, und deren 
unteres Ende durchschnittlich in der halben Höhe der Schneegrenze 
liegt. Im einzelnen gestalten sich die Verhältnisse allerdings sein- 
verschieden. 
Ausser den besprochenen Gegenständen zeigt unsere fg. b noch 
manches Andere, so die tiefe Erdsenke des Toten Meeres (Spiegel 400 m, 
Grund 800 m) als Beispiel der Depressionen, den Titicacasee als Beispiel 
eines hochgelegenen Gebirgssees und, durch rote Farbe angedeutet, 
die höchste menschliche Wohnung in den Alpen und in Tibet. Ver¬ 
gleichsweise sei bemerkt, dass die mittlere Höhe der Hauptregenwolken 
zwischen 500 und 2000, die der oberen Wolken zwischen 4000 und 
7000 und die der höchsten Federwolken gegen 14000 m beträgt. Die 
höchste Ballonfahrt mit Bemannung stieg bis 9200, ohne Bemannung 
bis 16500 m. 
Eine vergleichende Zusammenstellung der wichtigeren Meeres¬ 
tiefen bietet fg. c. Auch hier kann.von Gleichmässigkeit der Tiefen- 
und Längenmasse, sowie von der Naturtreue der Darstellung des 
Meeresbodens keine Rede sein. Das dunklere Blau zeigt die mittlere 
Tiefe des Weltmeeres. Um die Sache zu vereinfachen, ist das nördliche 
Eismeer unter dem Atlantischen, das südliche Eismeer unter dem 
Grossen Ocean dargestellt. Der Beginn und das Ende der Tiefenlinien 
bezeichnen die mittlere Tiefe, die eingetragenen Zahlen die grösste 
bekannte Tiefe der betreffenden Oceane und ihrer Teile. 
Die Grundform der Erdteile ist in ihrem Querdurchschnitt 
eine doppelte. Die eine und zwar die bei weitem häufigere zeigt Ähn¬ 
lichkeit mit dem Querschnitt eines dreiseitigen Prismas, der bekanntlich 
ein Dreieck bildet. Die Grundlinie des letzteren ist nur an den Be¬ 
rührungspunkten des Landes mit dem Wasser sichtbar. Die beiden 
sichtbaren Seiten bilden eine Ärt unregelmässiges Dach, indem der eine 
Abhang schärfer abfällt als der andere. In Wirklichkeit besteht also 
die Reliefbildung im grossen in der Zusammenlegung von zwei schiefen 
Ebenen, die an ihrer Berührungslinie die relativ höchste Erhebung des 
ganzen Gebietes besitzen. Von dieser Berührungslinie aus, der Kamm¬ 
linie des höchsten Gebirges und in der Regel der Hauptwasserscheide, 
flacht sich nun das Terrain mehr oder weniger zusammenhängend oder 
von Absätzen (Terrassen) oder Gebirgen unterbrochen bis zum Nullpunkt 
der Erhebung, dem Meeresspiegel, ab. Diesem prismatischen Durch¬ 
schnitt nähert sich am meisten die westöstliche Gestaltung Südamerikas, 
fg. g, und die südnördliche Oberflächenbildung Europas, fg. e. Mannig¬ 
faltiger gestaltet sind Nordamerika, fg. f, und besonders Asien, fg. d, 
insofern als sich bei ihnen die Haupterhebung in zwei Gebirgswällen 
anordnet und speziell bei Asien die Unterbrechung der schiefen Ebene 
durch den Thianschan und Altai viel entschiedener ist als diejenige 
durch die betreffenden Gebirge bei den anderen genannten Erdteilen. 
Die zweite Grundform der Oberflächenbildung entspricht in ihrem
	        
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