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Wirtschaftsgerät, sondern auch ein beliebtes Schmuckstück unserer Wohnungen.
Die altmodischen Hängelampen unserer Väter fristen nur noch in den
Hütten und Dachkammern der Armen ein bescheidenes Dasein. Sie
müssen sich verstecken vor ihren stolzen Brüdern, den glitzernden und
blinkenden Kronleuchtern, die das Heim der Wohlhabenden mit einem
blendenden Lichtmeer überfluten.
Auch als Straßenbeleuchtung hatte das Petroleumlicht einst große
Bedeutung. Wie erfreut mögen unsere Väter gewesen sein, als sie zum
erstenmal ihre Straßen durch Petroleumlaternen erleuchtet sahen! Was
sie einst bewunderten, dafür haben wir Kinder von heute kein Verständ¬
nis mehr. Ein mitleidiges Lächeln drängt sich uns auf, wenn wir in
den Straßen kleiner Städte noch die Zeugen jener Zeit bemerken. In
größeren Orten sind sie längst durch das Gaslicht verdrängt worden.
Letzteres wird durch Verbrennung von Gasen erzeugt, die man aus
den Steinkohlen gewinnt. Schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts
wurde zuerst in England und später auch in Deutschland solches Leucht¬
gas hergestellt und verwendet. Es waren dies aber nur Versuche. All¬
gemeine Anwendung fand es erst in den siebziger Jahren. Wie im Fluge
hat i§> sich dann auch unter allen Beleuchtungsmitteln den ersten Platz
erobert. Wegen seiner großen Leuchtkraft fand es besonders im öffent¬
lichen und geschäftlichen Verkehr schnelle Aufnahme. In kurzer Zeit ent¬
standen in allen mittleren und größeren Orten Gasanstalten zur Erzeugung
des Leuchtgases. 1885 zählte man in Sachsen bereits 139 derartige Unter¬
nehmungen. Daß Zwickau diese neue Beleuchtung bald mit einführte,
ist leicht verständlich, besaß es doch die zur Herstellung nötigen Kohlen
in Menge.
Aber auch das Gaslicht durfte sich nicht lange seiner Vorherrschaft
erfreuen. Schon in den achtziger Jahren kam das elektrische Licht in
Anwendung. Wegen seiner noch größeren Leuchtkraft, seiner sauberen
und bequemen Handhabung schien es geeignet, selbst das Gaslicht aus
dem Felde zu schlagen. In den folgenden Jahren entstand darum ein
heißer Wettkampf zwischen Gas- und elektrischem Licht. Den größten
Gewinn aus diesem Kampfe zog die Menschheit' denn durch denselben
erhielt sie immer bessere Beleuchtung. Um nicht in dem Wettstreite zu
unterliegen, mußte das Gaslicht noch mehr vervollkommnet werden.
Das geschah im Jahre 1893 durch die Erfindung des Auerschen Gas-
glühlickites. Auch noch viele andere Beleuchtungsmittel hat der nimmer
rastende Menschengeist ersonnen.
Welches wird endlich siegen? Welches wird einst allen: berufen sein,
die Nächte in Tage zu verwandeln? In unserer Gegend wird das elek¬
trische Licht das Gaslicht nie ganz verdrängen können. Vielleicht aber
wird es in Gebirgsgegenden, wo man billige Wasserkräfte zur Verfügung
hat, nach und nach die Oberhand gewinnen.
Hehn er, Oberplanitz.