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genannt, in denen sie spurlos verschwinden. Es sind geheime Kanäle, die in
allerlei Windungen und Verzweigungen bis auf den Felsengrund des
Gletschers hinabreichen und dem aus dem Gletscherthor (vgl. Furka
und Rhone-Gletscher) hervorquellenden Gletscherbach Nahrung zuführen.
Die ganze sanft gewölbte Oberfläche des Gletschers glitzert und leuchtet
vom Reflex der Sonnenstrahlen auf dem blanken, wasserüberronnenen
Eise; eine unendlich fieberhaft-zitternde Beweglichkeit ist über die ganze
Eishalde ausgegossen. Diese unheimliche Lebendigkeit, dieses Rieseln in
den netzförmig die Spiegelfläche überspinnenden Rinnen währt, so lange
die Sonne ihre auftauenden Strahlen niedersendet; sobald diese hinter die
umstehenden Berge tritt, verstummt allgemach das Leben, der erstarrende
Todeshauch streicht über die Eiswüste und bindet die rieselnden Tropfen
wieder zu Krystallen.
5. Die Moränen.
Eingeklemmt in tiefe Gebirgsschluchten, muß der Gletscher den
Windungen und dem Falle seines „Flußbettes" (vergl. den Absturz des
mittleren Aletschgletschers und den des Rhone-Gletschers) folgen; der
Gletscher fließt; er bewegt sich (gleich dem Strome) nach der Tiefe fort.
Die Zerklüftung der Ufer ist die Erzeugerin der Moräne. Wirft man
einen Blick auf irgend einen Gletscher, so erblickt man auf demselben lang¬
gezogene Steinlinien (im Bilde links, am unteren Teile des Gletschers),
welche sich weit bis in die Perspektive fortsetzen. Dies sind die Moränen,
auch Gandecken und Gufferlinien genannt. Was Hitze und Frost,
Regen und Unwetter an den Gebirgsmauern zersetzen, abbröckeln,
das fällt hinunter auf die Firnfelder oder auf die Gletscherwände
und rückt mit diesen Massen fort. Firn wie Gletscher haben so zu sagen
eine ausstoßende Kraft, sie leiden keine fremden Stoffe in ihrem Körper;
was Jahre lang in Firnschründen begraben lag, wird durch die Ab¬
schmelzung der Oberfläche und den gleichsam hebenden Druck im Fort¬
rücken nach und nach auf den Rücken des Eiskörpers gebracht, so auch
die Felsenbrocken. Trifst's nun, daß, ähnlich dem Ineinanderfließen zweier
Flüsse, zwei Gletscherthäler zu einem Strombett sich vereinigen, wie
in unserm Bilde der mittlere mit dem großem Aletschgletscher, so ver¬
einigen sich auch die beiden inneren Rand- oder Seitenmoränen zu einer
Mittelmoräne und zeigen nur eine Gusserlinie längs der ganzen
Mitte des Gletschers. Eine solche zeigt unser Bild zwischen dem mittleren
und großen Aletschgletscher. Oft ist die Massenhaftigkeit des hier angehäuften
Bergschutts so bedeutend, daß man auf einer unmittelbar vom Gebirge
gebildeten Trümmerhalde zu stehen wähnt. Oft sind jedoch diese Moränen
auch nur schmale Reihen mit kleinen Unterbrechungen fortlaufender, einzelner
Steine, die über die ganze Länge des Gletschers hinabsteigen. — Die
am Fuße des Gletschers aufgebaute Trümmerschanze wird Front-
Moräne, Stirn-Gandecke genannt.
(Nach Bädeker und v. Berlepsch bearbeitet.)