Full text: Landschafts-, Völker- und Städtebilder

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Für die Jagd ist er vorn mit sehr hoher Lehne als Widerlager für die 
Gewehre und als Schild für den Schützen versehen. 
ee) Die jetzigen Indier lieben Theater nicht weniger, als ihre 
Vorfahren. Auf Volksbühnen wird das Publikum durch einen Text nach 
Art der Kasperle-Theater zur Lachlust gereizt, wobei eine Puppe mittels 
eines Besenstiels geköpft wird. In den Hauptstädten sind Theatergebäude 
nach europäischem Muster zu finden; Zugstücke find Lustspiele, welche 
Gesellschaftsschäden witzig behandeln. — Außerdem sind Schaustellungen 
aller Art beliebt: Schlangenbeschwörungen, Bajaderentänze und dergl. 
ää) Schlangenkult. Dem Indier gilt die Schlange als gütiges 
Wesen; daher ist auch die Opferung an Schlangen allgemein und von 
hohem Alter. Das Volk hält das Bild der Schlange für ein Heilmittel, 
von dem der Kranke, der Aussätzige Heilung erwartet. Giftige Schlangen 
glaubt der Hindu von seinem Hause dadurch fern zu halten, daß er die 
Thürpfosten mit dem Dünger der heiligen Kuh beschmiert; dringt aber 
eine ein, so treibt das abergläubische Hinduweib sie nicht hinaus, sondern 
stellt sich hetend vor sie hin, damit sie sich entferne; hebt und schwenkt sie 
dabei den Kopf, so gilt dies für Glückverheißung. Diesen Aberglauben 
nützen die Schlangenbeschwörer aus, d. s. Gaukler, die den Brillenschlangen 
die Giftzähne ausbrechen und sie nun durch Musik aus dem Korbe oder 
einem Versteck hervorlocken, wohin sie dieselben vorher gebracht haben. 
Im August, in manchen Gegenden im Dezember, wird als Volksfest das 
Schlangenfest gefeiert. 
Die Leichen der Hindus werden verbrannt. — Bei der Feier des 
„Wagenfestes" werfen sich Hindu-Büßer, ohne eine Muskel zu ver¬ 
ziehen, freiwillig unter die zentnerschweren Räder des „Götterwagens" 
(Wagen des Gottes Krischnah), um sich zermalmen zu lassen. Doch sind 
diese Zerquetschungen, sowie die Witwenverbrennungen im Verlöschen. 
m) Volksbildung. 
Es giebt Volksschulen für Hindukiuder, für Mohamedaner und 
Brahmanenschulen für Erlernung des Sanskrit. Als Lehrsaal dient 
regelmäßig eine Vorhalle eines Hindutempels, einer Moschee oder das 
Haus eines Dorfältesten. Die Knaben (nicht die Mädchen) schickt man 
mit vollendetem 6. Lebensjahre zur Schule; sie sitzen nicht in Bänken, 
sondern auf Matten. Lehrer ist vorherrschend ein Brahmane, der 
während ver Regenzeit (Juli und Oktober) im Dorfe eine Schule eröffnet; 
auch Krämer, selbst arbeitsscheue Abenteurer verwerten ihre geringen 
Kenntnisse. Als Honorar bringt der Schüler täglich einige Handvoll 
Speisegetreide mit zur Schule, an Festtagen etliche Pfennige bares Geld. 
Ein größeres Geldgeschenk ist Sitte bei bestimmten Abschnitten des Lehr¬ 
kursus. Gelehrt wird: Schreiben, Lesen, Rechnen. Zum Schreiben 
benutzt man entweder eine Holztafel und Speckstein oder Kreide, oder eine 
Papptafel und ein in Wasserfarben getauchtes Rohr, oder endlich die 
Blätter der Fächerpalme und einen Metallstift. Sehr häufig dient auch 
noch nach alter Sitte der Zeigefinger als Griffel und feiner Sand zum 
Einzeichnen der Buchstaben.
	        
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