Full text: Die Provinz Hannover

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Prediger, und die Bürger von Göttingen schlichen sich nun verstohlen 
hinaus zu deren Predigten, trotz der Strafe, die ihnen gedroht war. 
Da kam 1529 Friedrich Hübenthal aus dem Lünebnrgschen und 
hielt auf dem Kirchhofe von St. Georg die erste evangelische Predigt. 
Im Namen seiner Anhänger richtete er ein Schreiben an den Rat, 
in welchem er ihn dringend aufforderte, dem Luthertum nicht länger 
entgegen zu sein. Der Rat aber beantwortete sein Schreiben nicht 
und ließ auf ihn fahnden. Da sammelten sich die evangelischen 
Bürger, wohl 300 an der Zahl, und besprachen sich, wie das 
Evangelium vor den Widersachern zu schirmen sein möchte. Man 
wählte zehn Männer, die beim Rate die Angelegenheit ordnen sollten. 
Nur mit Mühe erhielten sie Gehör; ihre Bitte, dem Evangelium 
freien Lauf zu lassen und die Pauliner-Kirche zum neuen Gottes- 
dienst einzuräumen, saud keine Gewährung. Endlich aber sah sich 
der Rat dennoch genötigt nachzugeben und bat mit der Gemeinde 
den Landgrafen Philipp von Hessen, ihnen feine, stille, fromme und 
gelehrte Prediger zu senden. Vom Palmsmintage 1531 an wurde 
unch einer evangelischen Ordnung, welche Luther gut geheißen hatte, 
der Gottesdienst gehalten. 
Während des dreißigjährigen Krieges, im Jahre 1626, kam 
Tilly anch vor Göttingen. Er hatte eben Münden schändlich ver- 
wüstet; nun forderte er die Bürger auf, sich zu ergeben, sonst solle 
es ihnen an gänzlichen: Verderben nicht fehlen; er werde Göttingen 
thuu, wie er Münden gethan habe. Sie schlugen seine Forderung 
ab. Da beschoß er die Stadt sast unausgesetzt über einen Monat. 
In der Stadt entstand eine Seuche, an der täglich 50—60 Menschen 
starben. Das Schlachtvieh kam um aus Mangel an Futter; kaum 
daß das vou den Dächern genommene Stroh zur Sättigung der 
Pferde ausreichte. Braudkugelu äscherten einen Teil der Häuser eiu; 
die Mauer lag stellenweise niedergeschmettert, die beständigen Wacht- 
dienste erschöpften Soldaten und Bürger. Da übergab sich die Stadt 
uach sechswöchiger Belagerung. Tilly ließ sich 17 000 Thaler zahlen 
und zog dann weiter. 
Zum reicheil Segeu und zu einer Quelle des Wohlstandes hat 
der Stadt die durch Georg II. gegründete Universität gedient, welche 
1737 eröffnet wurde. Es kamen Studenten aus alleu Ländern 
Europas, und der Ruf der Hochschule breitete sich weit aus. Die 
Stadt ist infolge davon eine der wohlhabendsten der ganzen Provinz 
geworden. Selbst die französische Fremdherrschast wagte die berühmte 
Anstalt nicht anzutasten, niit welcher eine Reihe der klangvollsten 
Namen deutscher Wissenschaft und Kunst unvergänglich verknüpft 
bleiben wird. Mit ihr ist eine Sternwarte verbunden, ein botanischer 
Garten, eine Bibliothek von 400 000 Bänden und ein Museum, 
welches allerlei seltene und merkwürdige Naturerzeugnisse, Münzen, 
Gemälde, Gerätschaften und Waffen wilder Völker u. dergl. enthält. 
Die früheren stattlichen Bauten, in welchen der Glanz und
	        
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