Full text: Die Provinz Hannover

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bemerkte; der Hase habe ein volles Euter, machten sie sich daran, ihn zu 
melken und thaten sich gütlich an der noch nie gekosteten Hasenmilch. Kaum 
war indes; das Geschichtchen den Göttingern hinterbracht, als die Dransfelder 
auch ihren Spitznamen weghatten und noch bis auf den heutigen Tag die 
„Hasenmelker" heißen. 
Die Dransfelder bleiben's ihnen aber nicht schuldig und nennen die 
Göttinger die „Eselfresser", und zwar nach der gewöhnlichen Überlieferung 
deshalb, weil die Göttiuger die Dransfelder Jäger bei ihrem vermeintlichen 
Hasen überrascht und ihnen die Beute abgenommen hätten, welche dann von 
den Göttingern ebenfalls für einen Hasen angesehen und von ihnen geschlachtet 
und verzehrt worden wäre. Die Erklärung des Spitznamens „Eselsresser" in 
dieser Weise lag nahe, indem sie an den vorhin erzählten Vorgang leicht 
anknüpfen konnte, allein sie ist, da die Göttinger als jagdberechtigte und jagd- 
kundige Leute genannt werden, unmotiviert und ohne Zweifel eine Erfindung 
späterer Zeit, welcher eine Sage vom „Brakenberg" ganz abhanden gekommen 
sein muß, die ich so glücklich war, aus dem Munde eines alten Einwohners von 
Herberhausen zu hören. 
Das Dors Herberhausen liegt eine halbe Stunde von Göttingen und 
etwas entfernt von der nach Gieboldehausen führenden Chaussee am Fuße eines 
steilen, kahlen Berges, welcher Brakenberg heißt. Dieser Drakenberg trug vor 
vielen hundert Jahren das Raubschloß der gewaltthätigen nnd grausamen 
Herren von der Drakenburg. Der letzte Besitzer der Burg war ein alter, über- 
mütiger Junggesell; keine adelige Jungfer in der Nachbarschaft hatte ihm ihre 
Hand geben wollen, und so saß er unbeweibt und griesgrämig auf seiner Burg, 
bis ihm das Haar schneeweiß wurde. Da war einmal auf dem „Junkern- 
Hause" in Göttingen ein großes Fest, zu welchem viel vornehme Herren, Frauen 
und Jungfern aus aller Welt Enden geladen waren; auch der Herr von der 
Drakenburg erhielt, obgleich ihn eigentlich niemand leiden mochte, eine Ein- 
ladung zum Feste, uud das war ihm sehr lieb, „denn," dachte er, „unter den 
vielen fremden Jungfern wird sich aiu Ende doch noch eine finden, welche Lust 
hat, deine Frau zu werden." — Nun schloß der alte Geck Kisten und Kasten 
aus, suchte seine besten Kleider hervor und putzte sich, als ob er ein zwanzig- 
jähriger Prinz wäre. Das kostbarste aber, was er anlegte, waren seine weißen 
seidenen Strümpfe, ein Putz, welchen dainals in dortiger Gegend die vornehmsten 
Leute noch nicht kannten. 
Als nun der Herr von der Drakenburg beim Junkern-Hause vorfuhr 
und in seinen kostbaren Strümpfen aus dem Wagen stieg, lachten die umstehen- 
den Göttinger laut auf und verspotteten derb den eitlen, weibischen Mann. 
Da wurde der Verspottete bitter und böse, schrie die Spötter an: „Geduld, 
ihr Tölpel, ich werde zuletzt lachen!" und suhr im vollen Galopp wieder zum 
Albaner-Thor hinaus. Als der Grimmige in seine Burg einfuhr, lief ihm einer 
seiner Esel zwischen die Pferde und mußte dafür sein Leben lassen, denn der 
zornige Herr stach ihn auf der Stelle tot. Wie das Tier nun alle Viere von 
sich streckend dalag, wurde es dein Drakenburger plötzlich klar, auf welche Weise 
er sich an den Göttingern rächen könne. — Der nächste Tag war ein Markttag, 
und nach damaliger Sitte pflegten die umliegenden Gutsbesitzer Fleisch an den
	        
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