Full text: Die Provinz Hannover

4 
der sie umgebenden Ebene empor. — Trägen Laufes wälzen die 
großen Flüsse und die ihnen zuströmenden Bäche, die oft weite 
Sümpfe bilden, ihre Gewässer durch die einförmige Ebene. An 
ihren Ufern koncentrieren sich die Ansiedelungen der Menschen. Das 
dazwischen liegende Land ist an den höheren Stellen ein trockener 
Heideboden, der nur kümmerliche Waldungen trägt oder durch müh- 
same Kultur sich eine kärgliche Ernte von Roggen und Buchweizen 
abzwingen läßt. Dazwischen aber breiten sich die ungeheuren Hoch- 
moore aus, Produkte einer unvollkommenen Verwesung von Pflanzen, 
besonders des Heidekrauts, welches, an den Sandboden gebunden, 
mit wunderbarer Lebensfähigkeit an den trockensten Stellen des 
Landes freudig gedeiht, aber auch da uoch sich behauptet, wo der 
ungenügende Abfluß des Wassers die Gegeud iu einen weiten Sumpf 
verwandelt. Lange Jahrhunderte hindurch war das Moor völlig 
unbewohnt; an feinen Rändern und auf den Saudrücken — den sog. 
Tangen —, welche sich hie und da wie schmale Halbinseln ins 
Moor erstrecken, finden wir die älteren Ansiedelungen. Aber es sind 
selteu geschlossene Dörfer; meistens wohnt vielmehr das Volk ans 
Einzelhöfen, jeder einzelne vou seiueu Lnudereieu umgeben. In der 
neueren Zeit aber hat man im Moore selber Kolonien angelegt, die 
zum Teil herrlich aufblühen, zum Teil der Sitz des äußerstell 
Elends sind. 
Vou der Geest senkt sich das Land allmählich zur Marsch. 
So nennt man den Gürtel angeschwemmten Landes, der mit wechselnder 
Breite von den Mündungen der Elbe bis zum Dollart hin unser 
Land nmgiebt und die großen Meerbusen ausgefüllt hat, durch welche 
sich iil grauer Vorzeit die Flüsse ius Meer ergossen. Eine scharfe 
Trennungslinie scheidet in der Regel beide Gebiete; an den trockenen 
Sandboden der Geest legt sich unmittelbar der fette, schwere Marsch- 
bodeu au: weite, baumlose Gefilde, gewissermaßen wie ein nur in 
rohen Zügen begonnenes Bild, wie eine unvollendete Skizze von der 
Natnr dem Menschen dargeboten, und nur durch die Kunst und die 
unermüdete Achtsamkeit und Allsdauer der Bewohner, welche gegen 
die Einbrüche der Meeresflut und die Überschwemmungen der Flüsse 
hohe Deiche errichtet haben, gegen Zerstörnug gesichert, und überall 
von breiten Entwässerungsgräben durchzogen. — Im Gegensatz zum 
Hochmoor, wo wir uns einer wahrhaft freien, noch ungebändigten 
Natur gegenüber befanden, ist hier alles künstlich, vom Menschen 
geordnet und beherrscht; man kann sagen: jedem Tropfen Wasser ist 
vom Meuscheu sein Weg angewiesen. Reichlich lohnt aber auch der 
Boden solche Arbeit. In sast ununterbrochener Reiheufolge erntet 
man Weizen und Raps; au anderen Stellen wird mit vielleicht noch 
größerem Gewinn der Boden zur Weide verwandt; da sieht mall 
das buntgefleckte Vieh bis an den Baach im saftigen Grase weiden. 
Die Wohnungen der Menschen liegen meist vereinzelt, zum Teil auf 
künstlichen Erhöhungen, den sog. Wurteu; aber auch längs des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.