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Vater ziemt, hatte er erscheinen wollen. Darum wich er mit seiner edlen
Gemahlin, welche mit ihm die Freude des Wohlthuens hatte teilen wollen und
deshalb von Münden aus ihm gefolgt war, nicht eher von der Stelle, als bis
zur Befriedigung der ersten Bedürfnisse das mitgebrachte Geld unter die Hülfs-
bedürftigen verteilt war, und bis die nötigen Befehle zur Anweisung des Holz-
bedarfs aus seinen eigenen Forsten zum Wiederaufbau der Stadt erteilt, und
endlich durch Erlassung mehrerer Abgaben den Unglücklichen auch die schweren
Sorgen für die Zukunft erleichtert waren.
Durch die Geldverlegenheit des Herzogs gelang es einem betrüglichen
Alchymisten, den Fürsten für feine Kunst zu gewinnen; der Abenteurer ver-
sicherte, Kupfer in Gold oder Silber verwandeln zu können, zeigte auch mehrere
angeblich durch Alchymie gewonnene Goldstücke und versprach, durch seine Kunst
dem Herzoge aus allen seinen Schulden zu Helsen. Aber wie lockend auch diefe
Verheißung war, und wie sehr auch der Glaube an die geheimen Künste der
Alchymie sich damals der Gemüter, selbst vieler Gelehrten und Großen bemäch-
tigt hatte: — Herzog Erich, dem Aberglauben seiner Zeit entrückt, ließ gleichwohl
durch solche Vorspiegelungen sich nicht blenden. Er forschte der Sache tiefer
nach. Und als er nun herausgebracht hatte, daß das aus solche Weise
gewonnene Gold und Silber zwar bis zur neunten Verarbeitung Probe halte,
dann aber allmälig an Güte verliere, da sprach er zornig: „Ei, du loser
Schelm, ich habe mein graues Haar vor allen Fürsten des Reichs mit Ehren
getragen, und du wolltest mich noch in meinem hohen Alter zu einem Land-
und Leutebetrüger machen? Hebe dich weg von mir, oder ich lasse dir die
Augen ausreißen!"
Von seiner entschiedenen Liebe zur Eintracht gab Erich im Jahre 1533
zu Hannover einen sprechenden Beweis. Dort waren infolge der Einführung
der Reformation bedenkliche Unruhen unter den Bürgern ausgebrochen, welche
den Rat der Stadt veranlaßten, den Herzog um schleunige Verfügungen zu bitten.
Herzog Erich eilte selbst nach Hannover. Da aber der Aufruhr immer größer wurde,
rief er dem Rate zu: „Haltet mir das Geleit! Helft mir hinaus und sehet zu,
wie ihr die Bürger stillet!" Und als nun der Bürgermeister Schacht versicherte,
der Herzog habe so gut Geleit als der Magistrat, erwiderte er: „Ihr habt
Recht. Ihr wollt mir Geleit zusagen und habt selbst keius!" Endlich schlug
der älteste Worthalter Arensberg vor, es möge ins Stadtbuch geschrieben werden,
daß Seine Fürstliche Gnaden die angefangene Religionsänderung weder geheißen
noch verboten habe. Dies genehmigte der Herzog mit den treuherzigen Worten,
„so man's nicht vorn einschreiben wolle, möge man es hinten einschreiben; es
sei ihm gleich; — er wolle nur Eintracht unter den Bürgern machen." —
Übrigens ward Erich nach diesen Vorgängen immer nachsichtiger und duldsamer
in Religionssachen. Nirgends hemmte er die Kirchenreforin, welche fast in allen
Städten begonnen wurde. Seine Gemahlin, die Herzogin Elisabeth, eine Tochter
des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, mochte schon früher in ihrem Herzen
der evangelischen Lehre geneigt gewesen sein und wandte sich endlich noch bei
Lebzeiten des Herzogs dem Luthertum ganz zu. Mit ihren Hofdamen und ihrer
sonstigen Umgebung ließ sie sich im Jahre 1538 von Konrad Brecht, Pfarrer
zu Großen-Schneen, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt reichen. Auf ihr
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