Full text: Die Provinz Hannover

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Aufsuchen ward es von dem Landgrafen Philipp von Hessen dem berühmten, 
schon in Goslar thätig gewesenen Reformator Anton Corvinus, damals zu 
Witzenhausen, im Jahre 1539 gestattet, zum ferneren Unterrichte der Herzogin 
und ihrer Umgebung von Zeit zu Zeit uach Münden zu reisen. Bei Corvinus' 
Ankunft äußerte der Herzog, welcher eben nach Hagenau zu dem angesetzten 
Reichstage abreiste: „Weil die Herzogin uns in unserm Glauben nicht hindert, 
so wollen wir sie auch in ihrem Glanben ungehindert und unbetrübt lassen!" 
[21] Eduard Crusius. 
80. Die Reformation in Kalenberg. 
Wie wir in der vorigen Nummer erzählten, war zur Zeit der Reformation 
Herzog Erich der Ältere Herr in Kalenberg. Er blieb sein Leben lang der römischen 
Kirche zugethan; aber er glaubte, daß auch seine lutherischen Unterthanen vor Gott 
würden bestehen können, wenn sie dem Evangelium in Treue dienten und von ehr- 
barer Zucht nicht ließen, und darum blieb er bei seinem Vorsatze, ihnen keine 
Gewalt in Sachen des Glaubens anzuthun. Auf dem Reichstage zu Worms hatte 
Luthers Gottvertrauen uud starkes, treues Wort einen tiefen Eindruck auf ihn 
gemacht. Erich sandte ihm einbecksches Bier in silberner Kanne in seine Her- 
berge. Verwundert fragte Luther, welcher Fürst seiner also in Gnaden gedenke, 
uud als er hörte, daß eiu papistischer Herr, der selbst zuvor aus der Kanne 
getrunken, ihm die Gabe zugeschickt habe, da trank auch er und sprach: „Wie 
Herzog Erich meiner gedacht hat, also gedenke seiner der Herr Christus in seinem 
letzten Kampfe." Der Herzog gedachte in seinem letzten Stündlein dieser Worte 
und begehrte von dem ihn bedienenden Edelknaben Franz v. Cramm, daß er 
ihn mit evangelischem Tröste erquicken niöge. 
Seine Gemahlin war Elisabeth, Tochter des Kürfürsten Joachim I. 
von Brandenburg. Sie war evangelisch geworden, und Erich ließ seine herz- 
liebe Ilse, wie er sie nannte, gewähren; denn er wußte, daß sie um ihres 
Gewissens willen also that. Wo sie die Reformation förderte, hinderte Erich sie 
nicht. So kain es, daß die evangelische Lehre bald in den Fürstentümern 
Eingang fand. In Göttingen, Münden, Northeim und anderen Städten des 
Fürstentums waren schon früh evangelische Prediger; Hannover hatte schon 
1524 eine große Anzahl von Anhängern Luthers. 
Nach Erichs Tode, der noch im Jahre 1540 erfolgte, führte Elisabeth die 
vormundschaftliche Regierung für ihren zwölfjährigen Sohn Erich den Jüngeren 
und verfolgte nun mit desto größerer Festigkeit ihr Ziel. Nachdem 1541 aus 
dem Landtage zu Pattensen die Landstände in die Einführung der Reformation 
gewilligt hatten, arbeitete Corvinus aus Befehl Elisabeths eine Kirchenordnnng 
aus und unternahm dann mit anderen Herren eine Kirchenvisitation. Die 
Mißbräuche, welche sie vorfanden, stellten sie ab. Auch die Klöster bekamen 
von der Fürstin eine neue Ordnung. „Mir ist glaubhaft berichtet," schrieb sie 
ihnen, „daß Ihr Euch in das göttliche und hochwürdige Werk des Herrn, 
welches wir feit zwei Jahren rein, lauter und klar zn predigen befohlen, zu 
schicken wenig geneigt seid. Nun ist es unser Amt als einer regierenden Fürstin, 
Gottes Wort bei unsern Unterthanen überall zu fördern. Darum haben wir
	        
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