Full text: Die Provinz Hannover

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Diese Verhältnisse lassen es erklärlich erscheinen, daß die Waak- 
Häuser gern „an der Scholle kleben", nicht obwohl, sondern weil es 
schwimmende sind, und daß sie sich in ein wirtschaftliches Leben 
solcher Menschen nicht hineinfinden können, welche die Wohlthat des 
schwimmenden Landes entbehren müssen. Ob sie aber hierzu doch 
nicht einmal werden gezwungen sein, — das wird die Zeit lehren. 
Jedenfalls ist sicher, daß ihre gauze Wirtschaft vorbei ist, wenn sie 
erst einmal durch Ackerbau alles schwimmende Land niedergearbeitet 
und befestigt haben. — 
[18] Ruete. 
II. Kultur- und Sittenbilder. 
141. Der niederdeutsche Hchslhuh. 
„Alle, die aus Rindshaut treten", sagt Shakespeare irgendwo, 
und er wollte damit das ganze Menschengeschlecht bezeichnen. Aber, 
großer Gott, wieviele hat dieser Dichter dabei übersehen, namentlich 
den ganzen Länder- und Völkerstrich vom dänischen Sunde her dnrch 
Deutschland über Holland bis tief ins Innere von Frankreich hinein. 
Denn in dieser ganzen weiten Gegend wachsen die Schuhe für die 
Mehrzahl der Bewohner nicht anf dem Rücken der Ochsen, sondern 
seltsam genug in dem dicken Stamme der Bäume. 
Seltsam wenigstens und ganz absonderlich muß diese vermutlich 
aus dem schwerfälligen germanischen Geiste hervorgegangene Idee, 
die zehn Finger unserer vom Schöpfer so zierlich gebauten, zum 
Anklammern, zum Tanzen, zum elastischen Wiegen des Körpers so 
geschickten Füße in die Enge und Klemme eines plumpen steifen 
Stückes Holz zu stecken, einem amerikanischen Indianer oder allen 
ihm ähnlichen wilden Leuten erscheinen. In der That scheinen es 
auch nur die Norddeutschen zu sein, die die ganze Gliederung des 
Fußes in eine kompakte fühllose Masse verwandeln und ihn dem 
Pferdefnße ähnlich machen. 
Nun läßt sich aber nicht leugnen, daß die Natur bei unserm 
Fuße irgend etwas vergessen hat, um ihn für d£n Gebranch acker¬ 
bauender Menschen vollkommen geeignet zu machen. Er ist gegen 
Kälte, Nässe und Verwundung fast empfindlicher als die Hand, und 
doch ist er von Haus aus und seinem Zwecke nach diesem allen weit 
mehr ausgesetzt. Eine Einhüllung für ihn, ein „Schuh" oder ein 
„Stiefel", ist daher ein viel dringenderes Bedürfnis als für die 
Hand. Es kam aber bei dieser notwendig gewordenen künstlichen 
Einhüllung nicht nur darauf an, den Fuß zu schützen, sondern auch 
zu gleicher Zeit ihm seine natürliche Biegsamkeit möglichst zu lassen.
	        
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