Full text: Die Provinz Hannover

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Im allgemeinen hat man dazn seit den Zeiten Abrahams, der auch 
seine Füße schon in Felle (Lammsfelle) hüllte, über den ganzen Erd- 
boden hin noch kein passenderes Material gefunden als die Haut ge- 
wisser Tiere, die, zugleich hart und biegsam, für das Wasser ebenso 
undurchdringlich ist als für die Kälte. 
Nur die Nordgermanen sind in dieser Beziehung von der allge- 
meinen Ansicht abgewichen. Sie haben wahrscheinlich gedacht, daß 
es immer mißlich ist, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu 
wolleu. Sie haben sich in ihrem etwas einseitigen, aber soliden 
Sinne daher entschlossen, auf Elasticität, Eleganz und dergleichen zu 
verzichten, Unverwundbarkeit, Wärme, Trockenheit aber desto sicherer 
anzustreben, und sie haben mithin ihre Füße in kleine hölzerne Schiffe 
gesteckt, in denen sie begraben liegen wie Gefangene im Kerker. 
Gewöhnlich giebt man die Erfindung der Holzschuhe uuserm 
Klima, uuserm Regenwetter, nnsern Überschwemmungen und Morasten 
schuld. Gewiß läßt sich nicht leugnen, daß sie etwas daran beteiligt 
sind. Daß aber die Marschen und Sümpfe es nicht allein gethan 
haben, daß derselbe plumpe germanische Geist, der „Schuhe" über 
die Häude zog („Handschuhe"), auch Holz um den Fuß zwängt, 
geht daraus hervor, daß viele andere Völker, z. B. die Polen, die 
Finnen und Lappen noch viel tiefer in den Sümpfen und Wäldern 
stecken, ohue je dieses Aushülfeunttel nötig gefunden zu haben. 
Wer je unseren ruhigen, phlegmatischen friesischen oder nieder- 
ländischen Bauern beobachtet hat, wie er klopp! klopp! klopp! mit 
seiueu „Holscheu" an den Füßen schwerfällig und langsam über seine 
Tenne klappert — wie er mit krummen Beinen wie einer, dem ein 
recht schweres Gewicht an den Füßen hängt, und infolge dessen ewig 
mit gekrümmtem Rücken sich fortbewegt — beut wird sich wohl die 
Überzeugung aufgedrängt haben, daß nnserm Bauern seine „Holschen" 
wohl ebenso natürlich, national und eigentümlich sind, wie dem Magyaren 
seine knappen Reiterstiefeln und Sporen, oder dem schlauen Wilden 
seine geräuschloseu Mocassius. 
Wie die plumpe Derbheit unserer Leute, so liegt auch die 
Geradheit ihres Wesens in ihrer Fußbekleidung ausgedrückt. Sie 
sind keiue Schleicher und Hehler. Sie neigen nicht zum Meuchelmord 
und Räuberhandwerk wie die aus Sandalen oder Socken wandelnden 
Welschen, Spanier und Griechen. Ihr Holzschuh hat etwas Ehrliches. 
Man hört ihn schon von weitem. Unsere Leute sageu daher auch 
sprichwörtlich vou einem Menschen, der seine Absicht nicht verhehlt: 
„He geit np Holschen" (er geht auf Holzschuhen) d. h. man errät 
seine Gedanken und Pläne von ferne. 
Wenn auch in einigen Familien, namentlich in einsamen Ge¬ 
höften, man sich das nötige Schuhwerk selbst zurecht klobt und bohrt, 
so erfordert es doch seinen eigenen Mann, um allen Anforderungen, 
deren diese Kunst fähig ist, genügen zu können. Man findet daher 
auch in den meisten niedersächsischen Dörfern kleine Leute angesiedelt,
	        
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