Full text: Die Provinz Hannover

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Bayern zugehörte, so sagten es die Bewohner Völlens und Velges wenigstens. 
Der Besitzer war ein äußerst freundlicher Mann, gastfrei, liebenswürdig und 
zuvorkommend gegen jedermann. Seine Fähre wurde von zweien seiner Knechte, 
wahren Hünen, prompt bedient. Und da man hier Tag und Nacht passieren 
konnte, war der Zudrang an Reisenden von und nach Münsterland sehr stark. 
Damit des Nachts der Landungsplatz nicht verfehlt werden konnte, brannte in 
einem Fenster der Burg eine breite blitzblaue Flamme. Zu der Zeit führte man- 
cher Reisende bei der großen Unsicherheit der Wege einen tüchtigen Hund als 
Schutz mit sich. So reisete auch ein reicher Kaufherr von Münster aus mit 
seinen: Hunde nach Ostfriesland, kam des Abends sehr spät an die Halter Fähre 
und stieg in das Fährboot. Sein Hund wollte indessen durchaus nicht hinein, 
sondern stand zornig muksend am Ufer und schnappte nach den Händen der 
Fährknechte, wenn diese ihn greifen wollten. „Laßt das Tier", meinte der Kauf- 
mann, „es wird schon nachkommen, wenn es uns abfahren sieht!" „Oder", 
meinte der eine Knecht, „es kann ja, wenn es ihm beliebt, seinen Weg allein 
zurückmachen, daher es ist gekommen" — und lachte dabei höhnisch auf. Dies 
mißfiel dem Kaufherrn, und nicht ganz ohne Beklemmung fuhr er ohne seinen 
Hund ab, bemerkte aber bald, wie dieser laut aufheulend ins Wasser sprang 
und seitwärts dein Boote mitschwamm. Als man mitten auf der Ems war, 
durchzuckte plötzlich die blitzblaue Flamme ein feiner roter Strahl, wie wenn ein 
Schwert zumal den Kopf spaltet, und im selben Augenblick fühlte der Kaufherr 
einen wuchtigen Schlag auf seinen Kopf, so daß er ohne Besinnung hinstürzte 
und der Länge nach im Boot lag. Hatte aber der Kaufherr die rote Flamme 
und den Schlag noch bemerkt, so hatten die Fährknechte nicht bemerkt, wie leise 
der Hund an das Boot herangekommen war und nun mit einem Satze sofort 
dein einen der Knechte, der da den Schlag geführt, an die Gurgel sprang und 
ihn würgte, und dann mit solcher Wucht und Schnelligkeit aus den andern zu- 
fuhr, daß dieser, der zu rudern saß, augenblicklich durch den Stoß und Prall 
nach rücklings so hart mit dem Kopfe aufschlug, daß er wie der Kaufmann da¬ 
lag. So führte der Strom das Boot seinen eigenen Weg die Ems hinab, und 
als im Morgengrauen ein sürstliches Convoischiss unterhalb Leer das Boot auf- 
pickte, fand man den Kaufmann zwar noch betäubt, doch sonst wohl und gesund, 
den Hund mit fletschenden Zähnen über dem ebenfalls lebenden Fährknecht stehend, 
und den andern Knecht tot in seinem Blute liegend. — Ein Fähnlein Lands¬ 
knechte wurde abgesandt, den Burggrafen gefangen nach Leerort zu führen, um 
die Sache dort untersuchen zu können; als dieses aber in Halte ankam, war der 
Vogel bereits ausgeflogen. Nun schöpfte man erst recht Verdacht, und da in 
den letzten Jahren dunkle Gerüchte über eine Mörderbande im Lande aufgetaucht 
waren, und manch ein Reisender spurlos verschwunden war, so durchstöberte 
man die Burg und fand in derselben eine tiefe Mordgrube voller Leichen nnd 
Totengebeine. Als nun die Männer darob Entsetzen und Wut ergriff, wurde 
der Knecht gefoltert, und bekannte derselbe, daß sein Herr ein berüchtigter Mör- 
der vom Oberland und er sein Spießgeselle sei, und daß sie gemeinsam die 
Reisenden gemordet und dann geplündert hätten. Da wurde der Knecht in 
Egels gerädert, die Burg zu Halte zerstört, der Mordbrunnen mit Weihwasser 
besprengt und darauf verschüttet. Seitdem aber zeigt sich noch oft in stillen
	        
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