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burtsstadt des großen Geistesheroen, dessen herrliche Schöpfungen
durch die Buchdruckerkunst erhalten worden sind, um ihren erhebenden
und veredelnden Einfluß noch ans späte Nachkommen zu üben. Mit
Recht fragst Du, lieber Leser, in Frankfurt nach dem Hause, wo Meister
Goethe geboren wurde (28. Aug. 1749). Es liegt nicht weit vom
Roßmarkt, am „großen Hirschgraben" und ist durch eine Marmortafel
und ein altes Wappen (drei Leiern und ein Stern) bezeichnet. Das
seit dem Schillerfeste 1859 gegründete Freie deutsche Hochstift für
Wissenschaften, Künste und allgemeine Bildung hat das Goethehaus
1862 angekauft und zu einem für jedermann offenstehenden Heiligtum
deutscher Kunst und Wissenschaft geweiht.
Fast um dieselbe Zeit mit Goethe wurde zu Frankfurt ein Mann
geboren, der es — freilich auf einem ganz entgegengesetzten Gebiete —
zu großer Berühmtheit gebracht hatte. Die Wiege dieses Mannes
stand in der schmutzigen, engen „Judeugasse", das Haus führte den
Namen „Zum rothen Schilde" und der Sohn des Händlers Amschel
Moses, welcher (1743) hier geboren ward, hieß Maier Rothschild
und ward einer der ersten Geldfürsten Europas. Das große Hand-
lnngshaus Rothschild teilte sich nachher unter fünf Söhne. Der
älteste, Amschel (Anselm gest. 1855) liegt auf dem jüdischen Kirchhof
in Frankfurt begraben. Sein Grabstein zeigt als Inschrift den Wahl-
sprnch des Hauses: „Concordia, integritas, industria." — Die Roth¬
schild haben sich mit vielen von ihnen gegründeten Wohlthätigkeits-
anstalten ein gutes Andenken bei den Frankfurtern gestiftet, und ihr
Beispiel hat Nachahmung gefunden bei Juden und Christen.
Sehr wechselvoll waren die Schicksale der freien Reichsstadt in
der napoleonischen Zeit. Frankfurt behielt zwar noch 1803 seine
Reichsfreiheit und erhielt alle in seinen Ringmauern und seinem Ge-
biete gelegenen geistlichen Besitzungen, aber schon drei Jahre später
wurde Frankfurt Mitglied und Bundesstadt des Rheinbundes. Nach
Napoleons Sturz (1815) erhielt die Stadt ihre Selbständigkeit wieder,
wurde zur freien Stadt erklärt und wurde Sitz des deutschen Bnn-
destages.
Die geschichtlichen Überlieferungen hatten der Stadt Frankfurt
eiue Bedeutung gegeben, die sie auch noch in verschiedenen Momenten
der neueren deutschnationalen Entwicklung hervortreten ließ. Die Er-
innerungen aus der neueren Zeit knüpfen sich zum Teil au die Vor-
gäuge in der Eschenheimer Gasse, in dem ehemaligen Palais des