— 92 — 
burtsstadt des großen Geistesheroen, dessen herrliche Schöpfungen 
durch die Buchdruckerkunst erhalten worden sind, um ihren erhebenden 
und veredelnden Einfluß noch ans späte Nachkommen zu üben. Mit 
Recht fragst Du, lieber Leser, in Frankfurt nach dem Hause, wo Meister 
Goethe geboren wurde (28. Aug. 1749). Es liegt nicht weit vom 
Roßmarkt, am „großen Hirschgraben" und ist durch eine Marmortafel 
und ein altes Wappen (drei Leiern und ein Stern) bezeichnet. Das 
seit dem Schillerfeste 1859 gegründete Freie deutsche Hochstift für 
Wissenschaften, Künste und allgemeine Bildung hat das Goethehaus 
1862 angekauft und zu einem für jedermann offenstehenden Heiligtum 
deutscher Kunst und Wissenschaft geweiht. 
Fast um dieselbe Zeit mit Goethe wurde zu Frankfurt ein Mann 
geboren, der es — freilich auf einem ganz entgegengesetzten Gebiete — 
zu großer Berühmtheit gebracht hatte. Die Wiege dieses Mannes 
stand in der schmutzigen, engen „Judeugasse", das Haus führte den 
Namen „Zum rothen Schilde" und der Sohn des Händlers Amschel 
Moses, welcher (1743) hier geboren ward, hieß Maier Rothschild 
und ward einer der ersten Geldfürsten Europas. Das große Hand- 
lnngshaus Rothschild teilte sich nachher unter fünf Söhne. Der 
älteste, Amschel (Anselm gest. 1855) liegt auf dem jüdischen Kirchhof 
in Frankfurt begraben. Sein Grabstein zeigt als Inschrift den Wahl- 
sprnch des Hauses: „Concordia, integritas, industria." — Die Roth¬ 
schild haben sich mit vielen von ihnen gegründeten Wohlthätigkeits- 
anstalten ein gutes Andenken bei den Frankfurtern gestiftet, und ihr 
Beispiel hat Nachahmung gefunden bei Juden und Christen. 
Sehr wechselvoll waren die Schicksale der freien Reichsstadt in 
der napoleonischen Zeit. Frankfurt behielt zwar noch 1803 seine 
Reichsfreiheit und erhielt alle in seinen Ringmauern und seinem Ge- 
biete gelegenen geistlichen Besitzungen, aber schon drei Jahre später 
wurde Frankfurt Mitglied und Bundesstadt des Rheinbundes. Nach 
Napoleons Sturz (1815) erhielt die Stadt ihre Selbständigkeit wieder, 
wurde zur freien Stadt erklärt und wurde Sitz des deutschen Bnn- 
destages. 
Die geschichtlichen Überlieferungen hatten der Stadt Frankfurt 
eiue Bedeutung gegeben, die sie auch noch in verschiedenen Momenten 
der neueren deutschnationalen Entwicklung hervortreten ließ. Die Er- 
innerungen aus der neueren Zeit knüpfen sich zum Teil au die Vor- 
gäuge in der Eschenheimer Gasse, in dem ehemaligen Palais des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.