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stützen mächtige Pfosten den schwankenden Boden/aber schon geben die
Dielen dem Drucke der Wogen nach, aus allen Fugen quillt das
Wasser aus, das Dach wird durchlöchert vom Wogensturz. Immer
enger drängen sich die unglücklichen Familienglieder zusammen. In
der Finsternis sieht keiner das entsetzte Antlitz des anderen, aber jeder
kann an seiner eigenen Qual die marternde Angst seiner Lieben er-
messen. Im Donnergeroll der Wogen verhallt ihr Angstgeschrei; aber
der Sturm und Wogen gebietet, vernimmt auch das stumme Gebet
des Menschenherzens. Eine solche Todesnacht wird dem, der sie durch-
lebt, zur Ewigkeit. —
„Und wenn die Woge dann leiser wallt
Und spiegelklar sich gestaltet,
Erkennt er voll Demut die höchste Gewalt
Und hält seine Hände gefaltet."
„Wir fragen bewundernd", ruft Th. Masins, „woher dem Men-
schen der Mut kam, auf dieser Spanne Land sein Dasein zu gründen?
wie er vermochte, sein Geschlecht Jahrhunderte hindurch sortzuerhalten
ans einem Boden, wo ihm alles fehlt, was sonst die Erde gewährt?"
— Und wir wissen keine andere Antwort als diese: Der Halligbe-
wohner liebt seine Heimat, liebt sie mehr, als die herrlichste, reichste
und fruchtbarste Gegend des großen Vaterlandes — weil es eben seine
Heimat ist, und der aus der Sturmflut Gerettete baut sich nirgends
sonst wieder an, als auf dem Fleck, wo er alles verlor und wo er in
kurzem alles und sein Leben mit verlieren kann. —
39. Helgoland.
ünszig Kilometer von dem Festlande entfernt, vor den Mün-
düngen der zwei deutschen Hauptströme, der Weser uud der
Elbe, und ungefähr ebensoweit vor der Mündung der Eider
hebt sich aus der Nordsee ein kleines, wogenumstürmtes Felseneiland.
Der wildzerklüftete rote Fels, von einem grünen Rasenteppich über-
deckt, daneben die blendend Weiße Düne auf dem Hintergrunde des