Full text: Charakterbilder aus der Völkerkunde (Abt. 3)

78 Italiener. 
als in eine gottergebene Gesinnung setzen, muß jedem einleuchten, 
der sie in ihrem häuslichen und öffentlichen Leben zu beobachten 
Gelegenheit hatte. Fünfmal an jedem Tage ruft von den hohen 
Minarets der Muezzin zum Gebete; der Türke aber hält diese 
Stunden nicht immer ein, weil das Gesetz ihm vorschreibt, daß 
er nur mit gesammeltem Geiste beten dürfe. Dennoch unterläßt 
er das fünfmalige Gebet an keinem Tage, und immer wäscht er 
sich mit großer Andacht, bevor er es beginnt. In den größeren 
Städten giebt es außer den Moscheen noch eigene Bethäuser, 
die nach allen Seiten offen sind, und deren Dach nur von 
Säulen getragen wird. Auch auf offener Straße, auf Wiesen 
und unter Bäumen sowie bei Brunnen und Quellen und auf 
den Feldern sieht man die Türken knieend und mit den Kopfe 
auf die Erde gebeugt beten, unbekümmert um das, was um sie 
her vorgeht. 
Die Reinigung des Körpers mit dem Gebete zu verbinden 
und sie überhaupt zu einer religiösen Pflicht zu macheu, ist eine 
der weisesten Einrichtungen, die Mohammed treffen konnte. 
Welch' unerträglicher Schmutz, welche verheerenden Krankheiten 
würden in jenem heißen Himmelsstriche und bei der Trägheit 
der Morgenländer die notwendigste Folge vernachlässigter Rein- 
lichkeit sein! 
Es ist bekannt, daß keine Religion die Almosen mit größerer 
Strenge befiehlt, als die mohammedanische; auch giebt es nirgends 
so viele öffentliche Anstalten für Arme, Pilger, Kranke und 
Leidende aller Art als in den Ländern des Islams. Die Vor- 
schristen des Korans stellen allen Besitz und alles Eigentum 
als allgemeines Gut dar, dem einige als Verwalter vorgesetzt 
sind. Diese haben nun dafür zu sorgen, daß alle von den 
Gütern der Erde leben und zehren können. 
6. Italiener. 
Kaum wird ein anderes Land in Europa mehr bereist und 
geschildert als Italien, und doch giebt es kaum ein Volk, über 
dessen Charakter im ganzen bei uns so grundfalsche Ansichten 
herrschen als das Volk jenes Landes. Es ist noch gar nicht 
lange her, daß man den Italiener, d. h. den aus dem Niedern 
Volke, sich nur als einen Kerl vorstellte, der seinen dunkeln
	        
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