Full text: Bilder aus dem Lande Braunschweig

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Rücksicht zu nehmen, ob es den Sinnen angenehm oder unan¬ 
genehm sei, und ohne danach zu fragen, ob es ihm Nutzen oder 
Schaden bringe. Dieses Vermögen nennt man das vernünf¬ 
tige Begehrungsvermögen, weil die Vernunft dem Menschen 
gebietet, das Rechte und Gute zlr thun und das Unrechte und 
Böse zu meiden. 
In dem vernünftigen Begehru-ngsvermögen besteht der freie 
Wille des Menschen, d. h. das Vermögen, durch Vorstellungen 
von dem, was recht oder unrecht ist, zum freien Begehren oder 
Verabscheuen bestimmt zu werden. Dadurch zeigt sich der Mensch 
in seiner Erhabenheit über das Thier, über sich selbst und über 
jedes Geschick. Man nennt daher dieses Vermögen auch das 
obere Begehrungsvermögen im Gegensatze zu dem sinnlichen 
und bloß verständigen, welche beide unter der Benennung nie¬ 
deres Begehrungsver.mögen zusammengefaßt werden. Auch 
die Thiere haben ein verständiges Begehrungsvermögen, denn sie 
Unterlasten oft Etwas, das ihnen angenehm erscheinen muß, um 
einem aus dem Genusse entstehenden Schaden auszuweichen, und 
thun etwas Unangenehmes, um dadurch einen Vortheil zu er¬ 
haschen, z. B der Hund, der sich vor den Schlägen fürchtet; 
die Maus, die der Falle einmal glücklich entkommen ist rc. Aber 
kein Thier hat freien Willen, weil es keine Vernunft hat und 
zwischen Gut und Böse nickt unterscheiden kann. 
Wie sich bei den Gefühlen verschiedene Grade der Stärke 
unterscheiden lasten, so ist dies auch der Fall bei den Begehrungen. 
Von der leisesten Regung eines dunkeln Triebes bis zur kräftig¬ 
sten Entschiedenheit und Entschlossenheit des Willens giebt eS 
unendlich viele Abstufungen. So lange das Begehren nicht auf 
einen bestimmten Gegenstand der Begehrung gerichtet und also 
noch nicht mit der Vorstellung von irgend Etwas, das man be¬ 
gehrt, verbunden ist, heißt der Grund des Begehrens Natur¬ 
trieb. Stellt man sich bei der Begehrung zugleich einen be¬ 
stimmten Gegenstand vor, den man zu erhalten strebt <z. B. 
Speise), so heißt das Begehren ein Verlangen. Eine heftige 
Begehrung nennt man Begierde (3. B. nach Ruhm). Dauert 
die Begierde auch dann noch fort, wenn das erste Verlangen 
schon befriedigt worden ist, so nennt man sie Neigung fz. B. 
zur Musik). Erhält sich die Neigung eine Zeit lang ununter¬ 
brochen, so entsteht ein Hang <z. B. zum herumschweifenden 
Leben). Wird der Hang so stark, daß er schwer oder gar nickt 
mehr zu besiegen ist, so nennt man ihn Leidenschaft, oder 
auch lim verächtlichen Sinne) Sucht, die nach den verschiedenen 
Gegenständen, auf die sie gerichtet ist, auch verschiedene Namen 
erhält, z. B. Ehrsucht, Herrschsucht, Habsucht, Spielsucht, Streit¬ 
sucht rc. 
Wer nur selten in Gesellschaft geht oder nur selten spielt, 
wird nie ein besonderes Verlangen nach Spiel und Gesellschaft
	        
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