Full text: Bilder aus dem Lande Braunschweig

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geflogen, fafste den ledernen Sack in die Klauen und trug 
ihn durch die Lüfte über das weite Meer bis in sein Nest. 
Ais der Vogel dieses bewerkstelligt hatte, sann er auf einen 
neuen Fang, liefs die Haut liegen und flog wieder aus. 
Mittlerweile fafste Herzog Heinrich das Schwert und zer¬ 
schnitt die Nähte des Sackes. Als die jungen Greifen den le¬ 
bendigen Menschen erblickten, fielen sie gierig und mit Ge¬ 
schrei über ihn her. Der teure Held wehrte sich tapfer und 
schlug sie sämtlich zu Tode. Als er sich aus dieser Not be¬ 
freit sah, schnitt er eine Greifenklaue ab, die er zum Anden¬ 
ken mit sich nahm, stieg aus dem Neste den hohen Baum 
hernieder und befand sich in einem weiten, wilden Walde. 
In diesem Walde ging der Herzog eine gute Weile fort. Da 
sah er einen fürchterlichen Lindwurm wider einen Löwen 
streiten, und der Löwe schwebte in grofser Not zu unterliegen. 
Weil aber der Löwe insgemein für ein edles und treues Tier 
gehalten wird, und der Wurm für ein böses, giftiges: säumte 
Herzog Heinrich nicht, sondern sprang dem Löwen mit sei¬ 
ner Hilfe bei. Der Lindwurm schrie, dafs es durch den Wald 
erscholl und wehrte sich lange Zeit; endlich gelang es dem 
Helden, ihn mit seinem guten Schwerte zu töten. Hierauf 
nahte sich der Löwe, legte sich zu des Herzogs Füfsen neben 
den Schild auf den Boden und verliefs ihn nimmermehr von 
dieser Stunde an. Denn als der Herzog nach Verlauf einiger 
Zeit, während welcher das treue Tier ihn mit gefangenem 
Wild ernährt hatte, überlegte, wie er aus dieser Einöde 
und der Gesellschaft des Löwen wieder unter die Menschen 
gelangen könne, bauete er sich eine Horde aus zusammen¬ 
gelegtem Holz, mit Reis durchflochten, und setzte sie aufs 
Meer. Als nun einmal der Löwe in den Wald zu jagen ge¬ 
gangen war, bestieg Heinrich sein Fahrzeug und stiefs vom 
Ufer ab. Der Löwe aber, welcher zurückkehrte und seinen 
Herrn nicht mehr fand, kam zum Gestade und erblickte ihn 
aus weiter Ferne. Alsobald sprang er in die Wogen und 
schwamm so lange, bis er auf dem Flofs bei dem Herzoge 
war, zu dessen Füfsen er sich ruhig niederlegte. 
Hierauf fuhren sie eine Zeit lang auf den Meeres wellen.
	        
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