— 163 —
2. Warum wird das Thüringerland von so vielen deutschen Handelsstraßen durch-
zogen?
ki) Die Handelsstraßen können das Thüringerland gar nicht umgehen; wenn der
Verkehr auf kürzestem Wege hergestellt werden soll, so müssen die Verkehrsstraßen die
Landschaft entweder am Rande berühren (Elstertalbahn, Werratalbahn), oder sie müssen
die Landschaft in der Mitte durchqueren (Berlin — Halle — Nordhausen — Essen, Saal¬
bahn, Berlin — Erfurt — Frankfurt, Breslau — Dresden — Leipzig — Erfurt — Kassel —-
Koblenz usw.). Daß diese großen Handelsstraßen Thüringen durchqueren, hat seinen
Grund in der Lage Thüringens. Thüringen liegt in der Mitte der deutschen Land-
schasten. Nach Osten hin schließen sich an das Thüringerland Sachsen und Schlesien
an, nach Nordosten das weite ostelbische Tiefland, nach Norden und Nordwesten das
westelbische Tiefland, nach Westen hin die Weser- und Rheiulandschaften, nach Südwesten
die süddeutschen Stufen- und Beckenlandschaften und nach Süden endlich die Oberpfalz
und das Alpenvorland Durch seine Mittel läge innerhalb der deutschen
Landschaften ist das Thüringerland ein Kreuzuugs- und Mittel-
Punkt des deutschen Verkehrswesens geworden.
b) Einen günstigen Einfluß auf den Durchgangsverkehr üben auch die Boden-
verhältnifse aus. Dem Verkehr stellen sich in Thüringen keine unüberwindlichen Hinder-
nisse störend entgegen. Im Osten und Westen ist die Landschaft offen; im Norden und
Süden finden sich zu beiden Seiten der Randgebirge tiefe Senken, welche dem Verkehre
den Weg zeigen (Göttinger Senke, Mansfelder Senke, Senke zwischen Fichtelgebirge und
Thüringerwald, hessische Senke); die beiden Randgebirge selbst sind nicht nnübersteigbar;
das Innere Thüringens wird von vielen Mulden und Senken durchzogen. Dazu kommt,
daß das Land von zahlreichen Flußtälern durchquert wird, denen die Hauptstraßen folgen
können. Viele von diesen Flüssen führen von beiden Seiten bis nahe an den Rücken
der beiden Randgebirge und ermöglichen so durch die Pässe die Überschreitung derselben.
Durch die offenen Grenzen im Osten und Westen, durch die zahlreichen natürlichen
Senken zwischen den Gebirgen, durch die vielen Mulden im Innern und durch den
Reichtum an Flußtälern ist Thüringen eines der wegsamsten Länder Deutschlands, Die
große Wegfamkeit, die iu dem stufenmäßigen Bodenaufbau und
in dem Reichtum an Flußtälern begründet ist, hat dasThüringer-
land zum deutschen Durchgangsland gemacht.
3. Welchen Einfluß hat der rege Durchgangsverkehr auf die Kultur des Thüringer-
landes ausgeübt?
a) Der Boden ist in der mannigfachsten Weise ausgenutzt worden. Er dient nicht
nur dem Wald- und Ackerbau, sondern auch dem Garten-, Obst- und Weinbau. Thüringen
gehört infolgedessen zu den best angebauten Landschaften Deutschlands. Dadurch hat der
Ertrag an Bodenerzeugnissen eine beträchtliche Steigerung erfahren.
Wie die Bodenkultur durch den Durchgangsverkehr wesentlich gesteigert worden ist,
so ist derselbe auch der Ausbeutung der Bodenschätze förderlich gewesen. Der Bergbau
auf Erze, Salz und Kohlen wird in umfangreicher Weise betrieben, und die Gewinnung
wertvoller Steine und Erden hat eine große Ausdehnung angenommen.
Dadurch ist wieder die Gewerbtätigkeit befördert worden, und es sind im Thüringer-
lande eine ganze Reihe von Industriezweigen ins Leben gerufen worden.
Der rege Durchgangsverkehr hat endlich auch günstig eingewirkt auf den Aus-
tausch der Güter. Die Erzeugnisse der thüringischen Landwirtschaft und Industrie werden
nicht nur nach den verschiedenen Teilen der Landschaft versandt, sondern auch nach anderen
deutschen Landschaften und nach dem Auslande verschickt. Besonders weite Versendung
erfahren die Webwaren von Greiz, Gera, Apolda und Mühlhausen, die Glaswaren von
11*