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leckt. Als nun Roland einen nach dem anderen seiner lieben Heergesellen fallen sah, er—
krachte ihm das Herz von Grimm und Leide.
Er sprengte zu Olivier heran und sprach: „O weh, lieber Heergesell, wie gern bliese
ich mein gutes Horn Olivanten, ob uns noch Karl möchte zuhilfe kommen.“ Olivier aber
versetzte mit Unmuth: „Nimmer rathe ich dir das, noch ist's mein Wille, lieber Heergesell.
Von dorther kann uns keine Hilfe kommen, und Umkehr ist gegen des Reiches Ehre. Ja,
hätt ich auch tausend Häupter, so ließ ich sie mir doch alle Üeber abschlagen, ehe ich dem
Feinde den Rücken kehrre. O weh, ihr treuen Karlinge, diesen Tag mögt ihr nicht verwinden
Da sprach der Bischof Turpin: „Nun zürnet nicht mehr, traute Genossen! Roland, blase
dein Horn! Zwar ist das unser jüngster Tag, und der Kaiser kann uns nicht mehr helfen;
aber wo er des Hornes Ruf vernimmt, so wird er umkehren und unser Leben an den Feinden
rächen, dann sucht er unsere Leichname auf der Wahlstatt zusammen und befiehlt sie geweihter
Stätte, und heilige Bischöfe beten über unseren Gräbern. Nicht den Vögeln sollen wir zur
Beute werden.“
Da umfing Roland mit beiden Händen den guten Olivanten, setzte ihn an den Mund
und begann zu blasen und blies mit solcher Macht, daß er sich kaum im Sattel zu halten
vermochte; das Herz krachte ihm innen im Busen, und die Schläfe barsten voneinanden.
ur wie ein Donner dröhnte das Horn des Helden. Wuchin flog der Schall in die
ande.
Und der tiefe Klang Olivantens ereilte den Kaiser und seine Mannen, und sie erkannten
daran für gewiß, daß die Helden in Nöthen wären. Da kam bitterer Gram über sie; dem
Kaiser brach der Angstschweiß aus; er wußte vor schmerzlicher Ungeduld sich nicht zu fassen
und raufte sich jammernd das Haar. Und wie aus inenm Munde riefen alle die tapferen
Knechte des Kaisers, so großes Leid sei ihnen noch nimmer widerfahren und lieber wolllen sie
sich zu Roland in den Tod gesellen, als daß sie ihn verließen. Ritter und Bischöfe riefen
nach ihren Rossen; unter Thränen und Jammer legte man die Waffen an, saß auf, spornte
die Rosse in die Weichen, und in athemloser Haf eilte der Zug über das Gebirg zurück
nach der Wahlstatt von Runceval. Gram und bangende Erwartung verschlossen jeden
Mund; unterweilen nur vernahm man des Kaisers Stimme: „Nun hilf mir, Frau Sancta
Maria und alle Heiligen, die im Buche des Lebens geschrieben stehen, daß ich meinen
Geist euch müsse wiedergeben, ehe der Heide Marsilie über die Christenlande die Herrschaft
gewinnt.“
Unterdessen stand noch Roland hoch zu Roß auf dem Schlachtfelde. „Ihr Helden“,
begann er, „gedenket eurer Kraft. Laßt uns den müden Feind darniederwerfen, ehe er festen
Fuß faßt. Wir dürfen uns nicht säumen, ungeduldig verlangt mein Herz nach Marsilien;
liegt der eine darnieder, so hat mich Gott wohl berathen. Mein Schwen bringt ihm den
Todesgruß, oder es ist mein Ende.“ Mit geeintem Muthe stürmten die Karlinge in den
Feind. Da fiel Mann über Mann. Herrlich kämpfte Held Olivier, er schritt dahin wie ein
wilder Auer, dem in seinem Zorne niemand zu begegnen wagt. Herrlich fochten auch Turpin,
dvo, Pegon. Herrlich vor allen stritt der preiswerthe Held Roland. Vierundzwanzig heid⸗
nische Vorkämpfer schlug er nieder. Eine weite Gasse öffnete sich in den gedrängten Haufen
der Feinde, aber raftlos kreisten seine Augen und suchten den König Marsilie. Die Heiden
hatten geschworen, nicht von der Wahlstatt zu weichen, und wer seinen Herrn ve rlasse oder
aus der Schlacht entrinne, der solle des Todes sein. Wie nun aber Rolands gutes Schwert
Durendart erklang, da vergaßen sie ihres Eides und wichen entsetzt zurück. So gela ngte er
in die Nähe des Königs Der stand noch wie ein Wartturm und wehrte sich mannlich; Ivo,
Pegon und Degion verhauchten ihr Leben unter sänen Händen. Da vief da theure Degen
Roland über den Rand seines Schildes , Bist du hier, Marsilie Karl soll hinfort dor
deiner Tücke sicher sein!“ Sprach's und drang mit Gewalt an den König; heller Waffen⸗
klang stieg empor von Spießen und Schwertern; denn die Heiden schirmten ihren König
wacker. Da rief der Bischof Turpin: „Der soll fürwahr ein Mönch fein und nicht Mannes
werth gelten, wer hier nicht sein Schwert gebraucht.“ Mit sicheren Hand lelle Rolan