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Soldat „sich behalf“, indem er von der Bevölkerung nahm, da an eine ge— 
ordnete Verpflegung nicht zu denken war. Der Marsch setzte das Land des 
eigenen Kriegsherrn in Aufruhr. Der oberste Hauptmann war wohl der große 
Unternehmer selbst, der das Geld für Werbung und Ausrüstung beschafft hatte; 
durch sein Ansehen war das Heer zusammengelaufen. Blieben die Gelder vom 
Kriegsherrn aus, dann hörte auch die Treue auf. 
Solche Heere einer geworbenen Genossenschaft entschieden fast drei Jahr⸗ 
hunderte das Geschick unseres Vaterlandes. Wer gegen stehende Heere redet, 
der möge wohl daran denken, daß unsere Vorfahren, die nicht im stande waren, 
ein stehendes Heer zu unterhalten, eben darum in fast unaufhörlichem Kriegs— 
zustand und einer jammervollen Unsicherheit der Person und des Eigentums 
lebten. Wenn sie ein Heer warben, so hatten sie so viele Kosten und so großen 
Verlust durch Raub und Selbsthilfe der Söldner, daß der Schaden weit größer 
war als die Summe, die der Staat in der Gegenwart jährlich für Friede und 
Ordnung an seine Armee bezahlt. 
ach G. Freytag.) 
75. Die Verbesserung des preussischen Heeres im 
Jahre 1808. 
Im 17. und 18. Jahrhundert bildeten sieh die Fürsten stebende 
Heere. Die Soldaten wurden geworben und dienten für Sold oder Lohn. 
Nach der Meinung des preussischen Königs Friedrich Wilhelms I. waren 
„alle Einwohner des Landes für die Waffen geboren“. Er teilte sein 
Reich in Bezirke, und jedes Regiment mulste sich aus bestimmten Bezirken 
ergänzen. Dabei hatten aber viele Städte und die höheren Stände das 
Vorrecht der Befreiung ihrer Söohne vom Soldatenstande. EVin bedeutender 
Bruchteil des Heeres bestand aus Geworbenen aller Staaten, die sich den 
überall in Deutschland wohnhaften Werbern für ein gutes Handgeld ver- 
kauften, und die zum grossen Teile leichtsinnige, verirrte ünglinge waren, 
die keinen andern Weg mehr vor sich sahen, sich ihren Lebens- 
unterhalt zu schaffen. Hatten die Geworbenen dem Kõnige den PVid der 
Treue geschworen, s5o waren sie Soldaten. Nicht Vaterlandsliebe war 
die Priebfeder ihrer Handlungen, nicht der höhere Sinn für Ehre und 
Pflicht. Nur Furcht vor Strafe und strengste Zucht waren im stande, sie in 
Ordnung zu halten. König Friedrich Wilbelm III. erkannte die vorhandenen 
Übelstande sehr wohl und setzte gleich nach dem Prieden am 25. Juli 1807 
eine Nilitär. Verbesserungskommission) ein, um das Heerwesen auf völlig 
neuer Grundlage einzurichten. Mit grosser Pinsicht wablte er die tüchtigsten 
Manner seines Heeres zu Nitgliedern derselben. Diese Ofsiziere, bis 
dahin in untergeordneten Stellungen, kamen jetat erst zur Geltung und 
zeigten sich nachmals den berühmtesten Marschällen Napoleons mehr ais ge⸗ 
vachsen. Gneisenau, Grolman und Boyen salsen in dieser Kommission, Stein 
— —— 
) Kommission, Ausschuss von Beauftragten.
	        
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