Full text: Atlas für höhere Lehranstalten

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sammen, und er rief: „Der liebe Gott hat mir befohlen: Was dir be— 
gegnet, das verschlinge! Komm also her und suche keine Ausflucht!“ Die 
Sau antwortete: „Ich will es gewiß tun, aber taufe zuvor meine Kinder!“ 
„Wie soll ich das tun!“ fragte der Wolf. „Wirf sie eines nach dem an— 
dern in den Hluß,“ sagte die Sau. „Meinetwegen!“ sprach der Wolf und 
warf die Ferkel der Keihe nach in den Fluß. Als er das letzte hinab— 
geworfen, sprang die Sau selbst hinterdrein und schwamm mit ihrer herde 
an das andere Ufer. 
Der Wolf starrte ihr offenen Maules nach und schalt sie eine Be— 
trügerin. Aber es half ihm nichts, denn sie zog lachend ihres Weges. 
Als nun der Wolf weitertrabte, kam ihm ein stämmiger junger Bursche 
entgegen. Der Wolf sprach: „Der liebe Gott hat mir befohlen: Was dir 
begegnet, das verschlinge! Komm also her und suche keine Ausflucht!“ 
„So friß mich!“ sprach der Mann; „aber wart': zuvor will ich gehörig 
messen, wie ich in dich hineingehe, ob auf einmal oder zu zwei Malen.“ 
„Wie willst du denn messen?“ knurrte der Wolf. „Warte nur, bis ich das 
Maß habe,“ sprach der Bauer und schaffte aus dem Walde einen tüchtigen 
Knüppel herbei. Darauf fing er an zu messen, kam zum Maul des Wolfes 
und sprach: „Mäulchen, hier muß ich hinein; Zähne, ihr werdet mich zer— 
reißen.“ Der Wolf vernahm es mit Freuden, und der Bursche sprach 
weiter: „Bäuchlein, Bäuchlein, da find' ich meinen Platz; Schwänzchen, 
Schwänzchen.“... 
Dabei packte er den Wolf hinten am Schwanze und begann mit dem 
Knüppel hageldick auf ihn einzuschlagen. Der Wolf heulte erbärmlich und 
bat um Gnade, aber der Bauer schlug immerfort zu. Endlich zerrte der 
Wolf sich los und entfloh; der Bauer aber rief ihm nach: 
„Wölflein, Wölflein, nimm dich in acht, 
Nächstens wirst du noch besser bedacht!“ 
Im Walde rief der Wolf alle seine Verwandten zusammen, erzählte 
ihnen sein Mißgeschick und bat sie um hilfe. 
Darauf eilte die ganze Schar dem Burschen nach. Als er sie kommen 
sah, sprach er: „Jetzt wird's Ernst; da will ich doch lieber auf die Fichte 
klettern.“ Und das tat er auch. Die Wölfe aber kamen unter den Baum, 
starrten hinauf und hielten Rat, wie sie ihn fangen könnten. 
Endlich sagte ein alter Wolf: „Wir müssen einer auf den andern 
steigen, dann wird der oberste den Bösewicht leicht ergreifen.“ Damit 
waren sie alle einverstanden. Der hungrige Wolf warf sich zuunterst auf 
den Boden, und nun sprang einer auf des andern Rücken, bis der haufen 
fast schon an den Mann reichte. Nur ein einziger Wolf fehlte noch, so 
wäre der Bauer verloren gewesen. 
Da meinte der schlaue Bauer, jetzt wäre es gerade an der Zeit, und 
schrie von oben mit lauter Stimme: 
„Wölflein, Wölflein, nimm dich in acht, 
Nächstens wirst du wohl umgebracht!“
	        
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