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09. Die Insekten.
Früher betrachtete man die Insekten als eine besondere Thierklasse
gleich den Säugethieren, Vögeln, Amphibien, Fischen; jetzt setzt man
dieselben in eine Klasse mit den Würmern und heißt alle zusammen
Gliederthiere. Krebse und Spinnen werden dann auch nicht mehr zu den
Insekten gerechnet, wohl aber noch zu den Gliederthieren. Die eigent¬
lichen Insekten zeichnen sich aus durch die Einschnitte (Kerben) ihres
Leibes, wodurch Kops, Brust und Leib deutlich von einander geschieden
sind, wovon der Leib aber mehrere enthält. Statt der Knochen besitzen
sie eine harte Haut, in der Regel 6 Füße, niemals weniger, die meisten
Arten auch 4 Flügel, daneben 2 Fühlhörner. Auch mit 2 Augen haben
viele nicht genug, manche haben noch drei andere dahinter sitzen. Noch
merkwürdig ist aber die Verwandlung der meisten Insekten. Sie gehen
zwar alle aus Eiern hervor, aber nicht sogleich in ihrer späteren voll-
kommneren Gestalt, sondern zuerst als Raupen oder Maden, welche zu¬
sammen auch Larven heißen. Diese sind alle ungeflügelt, die Raupen
vielfüßig, die Maden fußlos, fast durchgeheuds höchst gefräßige und wenn
man von der Farbe absieht, sehr häßliche Thiere. Sie häuten sich erst
mehrmals und verwandeln sich endlich in Puppen. Die Puppe scheint
kaum den Namen eines Thieres zu verdienen, so gefühllos und bewe¬
gungslos liegt sie da, in einen häutigen Sack gehüllt, oft noch von einem
eigenen Gespinnst umgeben. Selbst Nahrung nehmen nur wenige Pup¬
pen zu sich. Bald aber entwickelt sich aus dieser unförmlichen Masse
das vollkommene Insekt, welches theils durch seine Flügel, theils durch
die längeren und gegliederten Beinen zur schnellen Bewegung geschickt ist.
Von den vollkommenen Insekten sind manche noch ebenso gefräßig wie
die Larven, z. B. die Heuschrecken, die Maikäfer; andere dagegen nehmen
fast gar keine Nahrung zu sich, wie die Schmetterlinge. Auch ist die
Lebensdauer derselben meistens eine kurze. Ein Jahr ist schon ein seltener
Fall, über 4 Jahre scheint kein Insekt in seiner vollkommnen Gestalt zu
dauern. Meistens stirbt das Weibchen sogleich nach dem Eierlegen. Die
Geschlechtslosen, welche es neben den Männchen und Weibchen einiger Arten
z. B. der Bienen gibt, scheinen am längsten $u leben.
Die Zahl der Insekten ist unermeßlich groß. An 50 000 verschiedene
Arten befinden sich in den verschiedenen Naturaliensammlungen, worunter
an 20 000 europäische; und wie unermeßlich groß ist nicht wieder die
Menge jeder einzelen Art; wie groß z. B. die Menge der Stuben¬
fliegen, der Flöhe, der Blattläuse, der Ameisen u. s. w. Nur wenige
Insekten verschaffen uns unmittelbaren Nutzen, wie die Bienen und der
Seidenspinner; desto mehrere aber gibt es, die uns erschrecklichen Schaden
zufügen. Die mehr oder weniger starke Vermehrung jeder einzelen Jn-
sektenart hängt vorzüglich von der günstigen oder ungünstigen Witterung
ab. In manchen Jahren werden unsere Wälder, Baum- und Küchen¬
gärten, Wiesen, Felder, ganz zerfressen und verheert, während wir sie in
anderen Jahren nur unbedeutend zerstört, in schönster Pracht sehen. In
manchem Jahre erscheineil gewisse Insekten in außerordentlicher Menge,
und dantt vielleicht wieder mehrere Jahre lang bemerkt man sie kaum.
Die meisten Jnsektenarten gedeihen am besten bei warmer und trockner
Sommerwitterung und bei einem trocknen Winter mit reichlichem Schnee.