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Peler den Paul wieder, und das heißen sie denn Freunde. Und ist oft
wischen ihnen weiter Nichts, als daß Einer den Andern kratzt, damit er
hn wieder kratze, und sie sich so einander wechselweise zu Narren haben;
denn, wie Du siehst, ist hier, wie in vielen andern Fällen, ein Jeder nur
in eigener Freund und nicht des Andern. Ich pflege solch Ding „Hol⸗
lunder Freundschaften“ zu nennen. Wenn Du einen jungen Hollunderzweig
ansiehst, so sieht er fein stämmig und wohl gegründet aus; schneidest Du
hn aber ab, so ist er inwendig hohl, und ist so ein trocken schwammig
Wesen darin.
So ganz rein geht's hier freilich selten ab und etwas Menschliches
pflegt sich wohl mit einzumischen; aber das erste Gesetz der Freundschaft
soll doch sein, daß Einer des Andern Freund sei.
Und das Zweite ist, daß Du's von Herzen seiest, und Gutes und Böses
mit ihm theilest, wiess vorkommt. Die Delicatesse, da man diesen und
jenen Gram allein behalten und seines Freundes schonen will, ist meistens
Zärtelei; denn eben darum ist er Dein Freund, daß er mit untertrete und
ts Deinen Schultern leichter mache.
Drittens, laß Du Deinen Freund nicht zweimal bitten. Aber wenn
Noth ist, und er helfen kann, so nimm Du auch kein Blatt vors Maul,
sondern geh' und fordere frisch heraus, als ob's so sein müsse, und gar
nicht anders sein könne.
Hat Dein Freund an sich, das nicht taugt, so mußt Du ihm das nicht
berhalten und es nicht entschuldigen gegen ihn. Mache nicht schnell Jemand
zu Deinem Freunde; ist ers aber einmal, so muß er's gegen den dritten
Mann mit allen seinen Fehlern sein. Etwas Sinnlichkeit und Parteilichkeit
für den Freund scheint mit zur Freundschaft in dieser Welt zu gehören.
Denn wolltest Du an ihm nur die wirklich ehr⸗ und liebenswürdigen
kigenschaften ehren und lieben, wofür wärst Du denn sein Freund? Das
soll ja jeder wildfremde, unparteiische Mann thun. Nein, Du mußt Deinen
Freund mit Allem, was an ihm ist, in Deinen Arm und in Deinen
Schutz nehmen; das Granum salis versteht sich von selbst, und daß aus
einem Edlen kein Unedles werden müsse.
Es gibt eine körperliche Freundschaft. Nach der werden auch zwei Pferde,
die eine Zeit lang beisammen stehen, Freunde, und können eins des andern
nicht entbehren. Es gibt auch sonst noch mancherlei Arten und Veran—
laffungen. Aber eigentliche Freundschaft kann nicht sein ohne Einigung;
und wo die ist, da macht sie sich gern und von selbst. So sind Leute, die
usammen Schiffbruch leiden, und die an eine wüste Insel geworfen werden,
Nãmlich das gleiche Gefühl der Noth in ihnen Allen, die gleiche
offnung und der Eine Wunsch nach Hülfe einigte sie; und das bleibt
ft ihr ganzes Leben hindurch. Einerlei Gefühl, einerlei Wunsch. einerlei
doffuumg einigt; und je inniger und edler dies Gefühl, dieser Wunsch
ind diese Hoffnung sind, desto inniger und edler ist auch die Freundschaft,
die daraus wird.